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Blut für Blut: Thriller (German Edition)

Blut für Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Blut für Blut: Thriller (German Edition)
Autoren: Julie Hastrup
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Fakten anzuerkennen. Schuldgefühle nagten an ihm. Was hatten er und Kissi falsch gemacht? Wie hatten sie ein solches Monster zeugen können? Er hatte Thomas zweimal im Gefängnis besucht, und der Sohn hatte sich ihm um den Hals geworfen und laut geweint, was er vor Jerome seit Jahren nicht mehr getan hatte, nicht seit er ein kleiner Junge gewesen war. Er war immer ein Mutterkind gewesen. Mutter, Mutter, Mutter. Jetzt gab es sie nicht mehr, was ihm eine neue Position verlieh, eine neue Verantwortung. Einen Augenblick wurde ihm eiskalt bei dem Gedanken. Er wusste nicht, in welche Richtung er sich bewegen sollte, er fühlte sich wie ein Stück Treibholz in einem gigantischen Wasserfall, ohne zu wissen, ob er den Sturz überleben oder zerschmettert werden würde. Die Gedanken waren so überwältigend, so allumfassend, und er spürte, dass es nichts bringen würde, etwas zu erklären oder darüber zu reden, und schon gar nicht mit Liam. Im Moment wusste er nur, dass die Gefühle mit der Zeit langsam zur Ruhe kommen würden, falls er überlebte. Er musste einen Tag nach dem anderen leben, eine Stunde, eine Minute.
    »Du hast doch wohl nicht gedacht, dass ich Kissi umgebracht habe?«
    Liams Stimme war wie ein Windhauch im Ohr. Was sollte er darauf antworten? Er hatte Liam noch nicht wegen des abgesagten Karatetrainings zur Rede gestellt. Er hatte noch immer keine Ahnung, wo er an den entsprechenden Mittwochabenden gewesen war, und er wollte es auch nicht wissen.
    Er zögerte, er hatte das Gefühl, dass Liam ihn fester drückte, und schnappte unwillkürlich nach Luft.
    »Natürlich nicht«, flüsterte er heiser. »So etwas würdest du doch nie tun.«
    Der Griff wurde lockerer, Liam biss ihn zärtlich ins Ohrläppchen, und Jerome seufzte tief. Es war Wahnsinn, aber es hatte Methode. Gleichgültig, was die Leute sagten. Das Leben war absolut sinnlos, und das war das wunderbar Befreiende daran.
    ____
    »Es fühlt sich sehr seltsam an, sich hier zu treffen. Ohne Kissi und Tibor sind wir fast auf die Hälfte geschrumpft.«
    Leon Rothenborg ließ seine wasserblauen Augen zwischen Anne Munk und Margrethe Heinesen hin und her wandern. Sie standen vor dem Eingang zum Kastell, am Fuß des Denkmals für Dänemarks gefallene Soldaten, und die Hunde bellten eifrig und zogen an den Leinen, um auf das Kastell zu kommen und frei laufen zu dürfen.
    »Es ist so unglaublich traurig, auch das mit Tibor«, seufzte Margrethe Heinesen und lockerte die Leine ein wenig, sodass Balthazar mehr Auslauf hatte.
    »Eine Tragödie. Aber das ist es ja immer, wenn jemand sich umbringt.« Leon Rothenborgs Stimme zitterte kurz, dann wanderte sein Blick zu Milica, die sich dicht neben Chanel, Anne Munks Hund, hielt.
    »Es ist schon ein Trost, dass du Milica nehmen konntest. Deine Geste hätte Tibor unglaublich gefreut, Anne.« Leon Rothenborg wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und fügte heiser hinzu: »Sollen wir losgehen? Die Hunde können es kaum mehr erwarten.«
    Sie gingen über die Brücke durch das alte Festungstor, und Anne Munk spürte, wie die Nervosität vor dem Spaziergang langsam schwand. Es war traurig, dass Tibor sich so über die Anrufe aufgeregt hatte, sie hatte ihn doch nur zu einem Geständnis bewegen wollen, falls er etwas mit dem Mord an Kissi zu tun hatte. Als die Polizei sie befragt hatte, hatten sie betont, dass sie von der Theorie ausgingen, dass Kissi ihren Mörder gekannt hatte und dass es jemand aus dem Cairnklub sein könnte . Sie war sich so sicher gewesen, auf der richtigen Spur zu sein, und obwohl es ein paar harte Tage mit nur wenig Schlaf gewesen waren, waren sie auch spannend gewesen.
    Dass nicht Tibor, sondern jemand ganz anderer Kissi umgebracht hatte, war ein Schock für Anne gewesen. Sie hatte die Nachrichten gesehen, als bekannt gegeben wurde, dass eine jüngere Frau, eine Kollegin von Kissi Schack, den Mord gestanden hatte. Das Blut war ihr aus dem Kopf gewichen, und die Schuldgefühle hatten sie wie eine schwarze Welle überrollt.
    Am Tag darauf hatte Leon Rothenborg sie angerufen und erzählt, dass Tibor sich in seiner Wohnung erhängt hatte, nachdem er Molly, einen seiner Hunde, umgebracht hatte. Man ging davon aus, dass er aus welchen Gründen auch immer eine plötzliche Psychose entwickelt hatte. Anne hatte die Zeitungen gekauft und mit zitternden Händen durchgeblättert, aber nur eine kleine Notiz in der Cityavis gefunden. Wie sich herausgestellt hatte, hatte Tibor an einem durch den Krieg in seinem
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