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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse
Autoren: Charles Dickens
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oder von einem Taschenspieler kommen, und nicht aus einem Gerichtshof. Wir traten beiseite und warteten, ob nicht ein Bekannter darunter wäre, und sahen, wie große Pakete Akten herausgetragen wurden, Pakete in Beuteln – Bündel, zu groß, um sie in Beutel zu stecken –, unermeßliche Papiermassen, zusammengeschnürt oder lose, unter deren Gewicht die Diener wankten und die sie vorläufig aufs Geratewohl aufs Pflaster der Halle warfen, wenn sie wieder hineingingen, um immer noch neue zu holen. Auch die Diener lachten. Wir warfen einen Blick auf die Bündel, und da wir überall »Jarndyce kontra Jarndyce« lasen, fragten wir einen wie eine Amtsperson aussehenden Mann, der mitten unter ihnen stand, ob der Prozeß aus sei. »Ja«, sagte er, »endlich hat er ein Ende gefunden!« und fing auch an zu lachen.
    Endlich sahen wir Mr. Kenge, leutselig und würdevoll, aus dem Gericht kommen und Mr. Vholes zuhören, der sehr ehrerbietig auf ihn einsprach und seine Aktenmappe unter dem Arm trug. Mr. Vholes erblickte uns zuerst. »Hier ist Miß Summerson, Sir«, sagte er. »Und Mr. Woodcourt.«
    »Was seh ich! Ja. Wahrhaftig!« rief Mr. Kenge und zog vor mir mit der größten Höflichkeit den Hut. »Wie steht das werte Befinden? Freut mich außerordentlich, Sie zu sehen. Mr. Jarndyce ist nicht hier?«
    »Nein. Er kommt nie hierher«, erinnerte ich ihn.
    »Nun«, sagte Mr. Kenge, »es ist vielleicht gut, daß er heute nicht hier ist, denn seine – soll ich in meines werten Freundes Abwesenheit sagen, seine hartnäckig verfochtene Ansicht? – wäre – wenn auch nicht mit Recht – heute bestärkt worden.«
    »Bitte, was ist denn eigentlich geschehen?« fragte Allan.
    »Ich bitte um Verzeihung, wie meinen?« fragte Mr. Kenge mit ausnehmender Höflichkeit.
    »Was heute geschehen ist?«
    »Was geschehen ist?« wiederholte Mr. Kenge. »Ja so. Hm. Nun, nichts Besonderes; hm, nichts Besonderes. Wir sind zu einem Stillstand gekommen – zu einem plötzlichen Stillstand auf der – wie soll ich sagen – auf der... Soll ich es – Schwelle nennen?«
    »Ist das Testament als echt anerkannt, Sir?« fragte Allan. »Möchten Sie uns nicht wenigstens das sagen?«
    »Gewiß würde ich das tun, wenn ich könnte«, sagte Mr. Kenge, »aber wir sind der Sache nicht weiter nachgegangen, nicht weiter nachgegangen.«
    »Nicht weiter nachgegangen«, wiederholte Mr. Vholes mit seiner gedämpften Bauchrednerstimme wie ein fernes Echo.
    »Sie müssen bedenken, Mr. Woodcourt«, bemerkte Mr. Kenge und schwenkte überredend und besänftigend seine silberne Kelle, »daß dies ein großer Prozeß, ein langer Prozeß, ein verwickelter Prozeß gewesen ist. Man hat 'Jarndyce kontra Jarndyce' nicht mit Unrecht ein Denkmal der Kanzleigerichtspraxis genannt.«
    »Und die Geduld hat lange darauf als Statue gesessen«, sagte Allan.
    »Wahrhaftig, sehr gut, Sir«, entgegnete Mr. Kenge mit dem herablassenden Lächeln, das ihm eigen war. »Sehr gut! – Sie müssen ferner bedenken, Mr. Woodcourt«, – er wurde würdevoll bis zur Strenge – »daß auf die zahlreichen Schwierigkeiten, Zwischenfälle, meisterhaften Fiktionen und Einzelstadien in diesem großen Prozeß Studium, Geschicklichkeit, Beredsamkeit, Kenntnis und Geist, viel Geist, Mr. Woodcourt, verwendet worden sind. Viele Jahre lang hat 'Jarndyce kontra Jarndyce' die – äh –, ich möchte sagen, die Blüte des Advokatenstandes – und die –äh –, ich möchte mir hinzuzusetzen erlauben, die gereiften herbstlichen Früchte des richterlichen Oberhauses in Anspruch genommen. Wenn die Allgemeinheit daraus Nutzen zieht und der Staat den Ruhm dieses großartigen Zusammenwirkens von geistigen Eigenschaften, so muß dafür bezahlt werden, Sir, in Geld oder Geldeswert.«
    »Mr. Kenge«, sagte Allan, dem jetzt auf einmal ein Licht aufzugehen schien, »entschuldigen Sie mich, aber unsre Zeit ist gemessen. Wollen Sie damit sagen, daß die ganze Hinterlassenschaft in Kosten aufgeht?«
    »Hm! Ich glaube«, entgegnete Mr. Kenge. – »Mr. Vholes, was meinen Sie?«
    »Ich glaube auch«, bestätigte Mr. Vholes.
    »Und daß auf diese Weise der Prozeß sozusagen in Rauch aufgeht?«
    »Wahrscheinlich«, entgegnete Mr. Kenge. – »Mr. Vholes?«
    »Wahrscheinlich«, sagte Mr. Vholes.
    »Liebste Esther«, flüsterte mir Allan zu, »das bricht Richard das Herz.«
    In seinem Gesicht drückte sich ein so plötzlicher Schrecken aus, und er kannte Richard so durch und durch, und auch ich hatte seinen
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