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Bitte sagen Sie jetzt nichts

Bitte sagen Sie jetzt nichts

Titel: Bitte sagen Sie jetzt nichts
Autoren: Loriot
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die Uroma viel aus Dresden erzählt?
    Loriot Nein, eigentlich nicht. Es wurde nicht viel über die Vergangenheit gesprochen.
    Krämer Warum nicht?
    Loriot Das Leben in Berlin war so vordergründig, interessant und lebendig, dass sich Gespräche über andere Städte gar nicht ergaben.
    Krämer Wann waren Sie zuletzt in Dresden?
    Loriot Das war vor ein paar Jahren. Ich war dort zusammen mit einigen anderen Wagner-Freunden, darunter auch der Musikkritiker Joachim Kaiser, mit dem ich gut befreundet bin. Richard Wagner hat ja lange in Dresden gelebt, und da dachten wir, fahren wir mal hin. Damals war die Frauenkirche noch ein Trümmerhaufen.
    Aber von der anderen Seite der Elbe aus hatten wir einen Eindruck der Silhouette Dresdens, unglaublich schön.
    Krämer Jetzt schwärmen Sie ja wirklich.
    Loriot An dieser Stelle erlebten wir eine merkwürdige Geschichte. Ich ging gerade mit Joachim Kaiser am Denkmal Augusts des Starken vorbei ...
    Krämer ... der Goldene Reiter.
    Loriot Da war eine Gruppe von Schülern. Einer von ihnen kam mit einem Fotoapparat auf uns zu und fragte, ob wir die Gruppe fotografieren könnten. Wir sagten: »Ja, gern. Wo denn?« Da zeigte einer auf den Goldenen Reiter und rief: »Da, vorm Museum!« Er bezeichnete die Figur Augusts des Starken als »Museum«. Ob das eine Eigenheit der sächsischen Sprache ist?
    Krämer Das wäre mir neu. Komische Geschichte.
    Loriot Das Sächsische hatte ja immer eine komische Seite.
    Krämer Wie jeder Dialekt.
    Loriot Aber das Sächsische wird auch in gebildeten Kreisen gesprochen. Deshalb gehört in Sachsen der Dialekt zum Witz. Selbst der König sprach Sächsisch. Denken Sie an die Geschichte, wie er bei Tisch saß, mit einem Gebiss, das sich kaum bewegte und nur gerade noch so schnappte. Da nahm er es heraus, legte es auf den Tisch und sagte: »Da, friss alleene!« Das hat er natürlich auf Sächsisch gesagt. In Berliner Bürgerfamilien war es nicht erlaubt, Berlinisch zu sprechen. Wohingegen ein feinerer Bürger in Sachsen durchaus ein feines Sächsisch sprechen kann.
    Krämer Andererseits wird das Sächsische oft auch lächerlich gemacht.
    Loriot Das liegt an einer gewissen Komik, die unbeabsichtigt ist. Jedenfalls hat das Sächsische ein ungeheures Gewicht unter den Dialekten.
    Krämer Die bedeutendste Bibelübersetzung stammt ja auch von Luther, der das Sächsische liebte. Aber die Bibel ist gar nicht komisch.
    Loriot Vor ein paar Jahren habe ich sie einmal ganz gelesen, vom ersten bis zum letzten Wort. Mir ist nur eine einzige Stelle aufgefallen, in der das Wort »Lachen« eine Rolle spielt. Das hat mich dann doch gewundert.
    Krämer Sie haben nie Witze über die Kirche gemacht.
    Loriot Niemals, nein.
    Krämer Aus Prinzip?
    Loriot Es gab keinen Impuls, darüber etwas Komisches zu machen.
    Krämer Aber Ihre Komik geht meistens aus Ritualen oder Regeln hervor, die irgendwie gestört werden. Das wäre doch bei der Kirche ein Impuls.
    Loriot Kein Zweifel. Ich könnte mir zum Beispiel folgende Situation vorstellen: In der Kirche wird Messwein ausgeschenkt, und der Küster genehmigt sich hin und wieder einen Schluck. Dann soll er etwas sagen - und fängt an, entsetzlich zu lallen. Das könnte schon komisch sein. Aber die Komik beruhte dann auf dem Fehlverhalten eines Menschen, und nicht etwa des lieben Gottes. Witze über Religion sind nicht meine Sache. Ich stamme aus einem - tja, wie sagt man: normalen? - christlichen Elternhaus.
    Krämer Damals war es sicherlich normal. Ihr erster Auftritt in der ddr fand ja in einer Kirche statt. Das war 1985, im Dom zu Brandenburg, Ihrer Geburtsstadt. Da wurden Ihre Karikaturen ausgestellt.
    Loriot Wir warteten vorher im Garten des Pfarrers. Wenn die Orgel anfing zu spielen, sollte ich hineingehen. Im Garten gab es Apfelkuchen und Kaffee. Die Kinder des Pfarrers hatten ein Puppentheater, mit dem sie etwas vorspielten. Es war wie in meiner Kindheit. Dann setzte die Orgel ein. Ich betrat, ohne irgendein Verdachtsmoment, die Kirche - der ganze Dom war brechend voll von Menschen, mit Kindern, die Blümchen verteilten und mir die Hand drückten. Es war ungeheuerlich. Und auf der Empore saß der Bischof. Ich kam mir vor, als hätte Luther etwas an die Tür des Doms geschlagen.
    Krämer Einen weiteren Auftritt in der ddr hatten Sie im Berliner Palast der Republik. Da standen die Leute bis zu 17 Stunden Schlange, um an Karten zu kommen.
    Loriot Eines der Stücke, die ich dort mit Evelyn Hamann vorlas, fing damit an, dass ich sagte:
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