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Berg der Goetter

Berg der Goetter

Titel: Berg der Goetter
Autoren: Alfred Bekker
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soll Angst haben?“
    „ Ja, Ihr habt richtig gehört, Lakyr: Ihr habt Angst! Ihr schreckt davor zurück, Euch dem Ziel unserer Reise weiter zu nähern. Ihr schreckt vor der Stunde der Wahrheit zurück, in der wir alle auf diesem vermaledeiten Berg stehen werden, um zu sehen, ob die Götter nun existieren oder nicht. Im Grunde Eures Herzens fürchtet Ihr Euch nämlich davor, dass sich dort oben doch etwas befindet. Mag auch Eure Eitelkeit bewirkt haben, dass Ihr Euch weit hervorwagtet und öffentlich über das Weltbild der Palniaraker spottetet, mögt Ihr Euch in Eurer grenzenlosen Sucht nach Anerkennung und Bedeutung auch darin verstiegen haben anzukündigen, den Berg der Götter zu besteigen und zu beweisen, dass es keine Gottheiten gibt, mögt Ihr Euch auch noch so sehr über Eure Zeitgenossen erhoben haben – in Wahrheit seid Ihr ihnen und ihrem Weltbild viel näher, als es Euch im Augenblick lieb sein kann!“
    Lakyr schlug sich erbost mit der flachen Hand auf das Knie. „Jetzt reicht es aber, werter Keregin!“, schnaubte er mit zorngerötetem Gesicht. Es war ganz gewiss eine Respektlosigkeit von mir, ich gebe es offen zu. Aber im Allgemeinen konnte ich mich dabei auf mein Gefühl und meine Intuition verlassen. Ich spürte zumeist, wieviel an Respektlosigkeit ich mir in Bezug auf Lakyr leisten konnte und wo die Grenze war, die zu überschreiten ich mich hütete.
    Ich wusste, dass Lakyrs Erregung sich wieder legen würde.
    Ich hatte die Situation im Griff, soviel stand für mich einwandfrei fest.
    „ Ich habe Euch immer als weisen Ratgeber geschätzt, Keregin, aber was Ihr gerade an Bösartigkeit vom Stapel gelassen habt, das ging zu weit!“
    „ Wenn ich Euch korrigieren darf: Nicht Bösartigkeit. Dieses Wort hat hier nichts zu suchen, denn ich meine es vielmehr gut mit Euch. Ich habe die Dinge lediglich beim Namen genannt, sie so dargestellt, wie sie meiner Auffassung nach sind! Ihr solltet mir dankbar dafür sein, denn offensichtlich benehmt Ihr Euch zur Zeit wie ein blindes Huhn!“
    Lakyr schwieg und ich wusste, dass dies schon der halbe Sieg war. Es gibt verschiedene Arten des Schweigens und sie können ganz unterschiedliche Dinge bedeuten. Aber dieses Schweigen kannte ich genau und ich wusste, dass es bereits den ersten Schritt zur Einsicht darstellte.
    „ Was ist“, so fragte Lakyr dann, sehr leise und bei den Geräuschen, die die Kutsche auf diesen holperigen Feldwegen verursachte, kaum zu hören, „Was ist, wenn dort oben, auf diesem verdammten Berg, doch etwas lebt, von dem ich bisher glaubte, es könne nicht existieren, weil sein Vorhandensein gegen alle Regeln der Vernunft, der Logik und der Naturgesetze verstoßen würde? Was, wenn die Priester recht haben? Was, wenn unseretwegen schreckliches Leid über die Menschen kommt, weil wir …“ Er lachte verkrampft, sein Kopf behielt die Rotfärbung bei. „Es ist Unfug, was ich da rede, nichtwahr, Keregin? Es ist Unfug. Aber auch Unfug kann einem manchmal Angst machen …“
    „ Ich weiß“, sagte ich. „Wenn Ihr wollt, so können wir jederzeit zurückkehren. Von Malint aus ist es nicht weit bis Palniarak. Im Grunde genommen sind wir noch gar nicht richtig aufgebrochen …“
    „ Umkehren?“
    Langsam schien sich Lakyrs Gemüt zu entkrampfen. „Wir können nicht mehr umkehren, Keregrin. Es ist schlicht und einfach unmöglich …“
    Ich verstand sofort. Seine Eitelkeit verbot es ihm.
    „ Was würde man in Palniarak von mir denken, wenn ich unverrichteter Dinge zurückkehren würde? Man würde mich für einen Angeber halten. Und das wohl auch mit Recht. Nein, es kann kein Zurück geben.“
    Ich nickte.
    „ Da mögt Ihr zweifellos Recht haben, Lakyr. Es bleibt also nur die Möglichkeit voranzuschreiten und – den Fluss hinaufzusegeln …“

    *

    Lakyr beschloss, die restlichen Besuche, die er sich vorgenommen hatte, unerledigt zu lassen und sich stattdessen etwas zu entspannen. Wir verbrachten noch eine Nacht bei den unglücklichen Terdarembis und brachen dann am nächsten Morgen auf.
    Außer einem Gewitter, das uns alle ziemlich arg durchnässte (und unter der Crew hier und da Furcht vor dem Zorn des rachsüchtigen Donnergottes Rhiamaku entfachte) geschah nichts Nennenswertes, bis wir – kurz vor der Grenze des vom Stadtstaat Moimarak beherrschten Gebietes – überfallen wurden.
    Nun, wer konnte schon für eine solche Schurkerei verantwortlich sein, außer dem erbärmlichen Delengi-al-Brualssm, diesem fanatischsten aller Priester und
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