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Berg der Goetter

Berg der Goetter

Titel: Berg der Goetter
Autoren: Alfred Bekker
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aufzutakeln.
    Ganjon legte sogleich einen Pfeil ein, um Delengi auf der Stelle zu töten.
    „ Nein, Herr! Tut dies nicht!“, rief der Priester laut und verzweifelt aus, so dass Lakyr dem Bogenschützen Einhalt gebot.
    „ Ihr seid ein feiger Mörder und hinterhältiger Räuber! Was wollt Ihr von mir?“ Lakyr ließ ein spöttisches Lächeln um seine Mundwinkel spielen. „Und wo sind Eure Schergen und Spießgesellen, mit denen Ihr uns einen Hinterhalt legtet?“
    „ Ich habe sie weggeschickt“, erklärte Delengi, vor Angst schlotternd, denn Ganjon stand noch immer bereit, ihn jeden Moment abzuschießen.
    „ Das war sehr unklug von Euch“, bemerkte Lakyr zynisch. „Ihr habt uns mit Eurer Schar von Banditen nicht niederzwingen können, wie wollt Ihr es dann auf Euch allein gestellt bewerkstelligen?“
    „ Großer Herr Lakyr, ich bitte Euch um Vergebung! Ich weiß, dass ich im Unrecht war. Euer Wille ist stärker als der Arodnaps!“
    Lakyr zuckte mit den Schultern und grinste amüsiert.
    „ Wenn Ihr meint…“
    „ Ich will Euch hinfort dienen. Die Priesterrobe habe ich abgelegt. Ich diene keinem Gott mehr, ich diene nur noch Euch! Lasst mich mit Euch zum Uytrirran reisen, damit ich mit eigenen Augen sehen kann, was Ihr als Wahrheit erachtet: Es gibt keine Götter, sondern nur Naturgesetze.“

    Nun, man mochte darüber streiten, ob dies eine Wendung zum Guten gewesen war, oder ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Delengi-a-Brualssm seinen Standpunkt behalten hätte und unser Feind geblieben wäre. Mir jedenfalls schien es nicht besonders ratsam, einen solch labilen Charakter auf eine so gefährliche Reise mitzunehmen. Aber ich hatte hier nicht zu entscheiden und Lakyr konnte der Versuchung nicht widerstehen, das Angebot des ehemaligen Priesters ihn zu begleiten anzunehmen. Delengi war jemand, mit5 dem er spielen konnte, der ihm unendlich weit unterlegen war und sich ihm auf Gedeih und Verderb unterwarf. Und bis zu einem gewissen Grad liebte Lakyr es, gerade solche Menschen zu quälen.

    *

    Nachdem wir Dârakysé verlassen hatten, umgab uns wieder für lange Zeit nichts als Wald. Vögel kreischten und sangen, hin und wieder konnte man im Wasser einen Biber beobachten und manchmal bewegte sich auch irgendetwas im Dickicht des Unterholzes. Vielleicht ein spähender Nomade, vielleicht irgendwelches Getier – wer konnte das schon beurteilen?
    Der Dâr wurde schmaler und flacher, was unsere Reise natürlich verlangsamte. Manchmal lief unser Schiff unvermittelt auf eine sandige Untiefe auf, so dass wir nicht selten einen ganzen Tag lang festsaßen.
    So dauerte es mehrere Wochen, bis wir Dârii erreichten, eine miruanische Stadt, die mit Dârakysé viel gemeinsam hatte, vielleicht mit dem Unterschied, dass hier der Anteil der Miruani und der handeltreibenden Nomaden größer war als in der Königsstadt.
    Von hier aus waren es nur noch wenige Tagesreisen bis zum Delta des Dâr, wo sich der große Fluss in den riesigen, meergroßen Tresu-See ergießt, an dessen Westufer wir südlich entlangsegelten, bis wir das Dorf Xi’n erreichten, von dem aus ein Pfad in die nahegelegenen Berge führte, deren höchster der Uytrirran war. Bereits von hieraus waren die schneebedeckten Gipfel zu sehen, die steil und schroff in den Himmel schossen. Manche von ihnen waren höher als die Wolken und es fröstelte mich bei dem Gedanken, dort hinaufsteigen zu müssen. Diese Berge hatten etwas Erhabenes und Furchteinflößendes und ich konnte mir gut vorstellen, wie die Menschen auf den Gedanken gekommen waren, dass hier und nirgendwo anders die Gottheiten ihren Wohnsitz haben müssten!
    „ Seht Euch den Schnee dort oben an!“, meinte der Kapitän voller Bewunderung für diese Landschaft, denn Berge von solcher Höhe gab es in den Küstenländern nicht. „Ihr werdet Euch warm anziehen müssen, Herr Lakyr!“
    Das Dorf Xi’n war ein ganz gewöhnliches miruanisches Dorf, wie man sie zu hunderten, weit verstreut in diesem riesigen Land, antreffen kann. Das Einzige, was Xi’n aus dieser Masser heraushob, war seine Lage zu Füßen des heiligen Berges der Götter. Und so kamen hin und wieder Pilger hierher, um den Objekten ihrer Verehrung besonders nahe zu sein. die Bewohner von Xi’n hatten sich auf derlei Besucher eingestellt und so wurden wir bereits bei unserer Ankunft von einer ganzen Traube von Menschen umringt, die uns Unterkunft anbieten oder die eine oder andere, angeblich echte Rarität verkaufen wollten: ein Zahn aus dem
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