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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
Autoren: Ann Benson
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Zusammenhänge, und unerwartete Erleichterung durchströmte sie. Als sie endlich wieder atmen konnte, schlug sie vor: »Wie wär’s, wenn ich es ihm sage?«

    Tom war zerknirscht, ja völlig am Boden, als Janie ihn zur Rede stellte.
    »Warum hast du das vor mir geheimgehalten? Sie muß so ein schönes Kind gewesen sein, und jetzt ist sie so eine wunderbare junge Frau – ach Tom, wie furchtbar es gewesen sein muß, das für dich zu behalten. Ich hätte sie gern gekannt, als sie klein war.«
    »Äh – es schien einfach nie der richtige Zeitpunkt gekommen, es dir zu sagen!«
    »Du hast ihre Mutter nicht geheiratet!«
    Er zögerte einen Moment. »Ich habe ihre Mutter nicht geliebt.«
    »Aber du liebst Kristina …«
    »Mein Gott, natürlich, sie ist meine Tochter. Und ich war immer für sie da, wenn sie etwas brauchte, habe mich immer um sie gekümmert.«
    So freundlich und stetig und ruhig … Janie zweifelte nicht daran, daß er ein wundervoller Vater gewesen war. Aber dennoch klang es nach einer riesigen, schweren Bürde. »All die Jahre hattest du dieses Geheimnis, und ich wußte nichts davon, meinte dich zu kennen …«
    »Wir waren beide auf dem College und standen damals doch nicht regelmäßig in Verbindung.«
    Etwas regte sich in ihr, ein Gedanke über das Timing von all dem – aber in der Verwirrung des Augenblicks ließ sie ihn vergehen.
    »Meine Güte, Tom, ich sage dir schrecklich ungern, was ich gedacht habe.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Nun ja, an eine Beziehung, eine romantische …«
    »Janie bitte! Allein der Altersunterschied zwischen uns … wie konntest du so was von mir annehmen?«
    »Na ja, ich bin nicht sicher, ob ich es wirklich gedacht habe. Und glauben wollte ich es erst recht nicht. Aber eins ist sicher – du solltest sehr stolz sein –, sie ist eine bemerkenswerte junge Frau. Weiser, als ihren Jahren entspricht … Ich würde sie am liebsten dauernd fragen, woher sie diese Reife hat.«
    Nachdenklich und fast wehmütig bestätigte Tom: »Sie ist bemerkenswert. In mehr Hinsichten, als ich dir überhaupt sagen kann.«
    Aber du wirst es mir schließlich anvertrauen; denn was auch immer deine Tochter so vollkommen von anderen unterscheidet – du hattest dabei die Hand im Spiel. Solche Geheimnisse wollten heraus, strebten von Natur aus ans Licht. Janie glaubte, daß es an der Zeit war, diese Bürde mit ihm zu teilen.
    »Sie steht nicht in Big Dattie, Tom.«
    Er sah ihr in die Augen.
    »Ich weiß.«
    »Aber so ziemlich jeder Staatsbürger in ihrem Alter steht drin.«
    »Ich, eh, ich habe sie von jemandem herausnehmen lassen, in …«
    Er wandte wieder den Blick ab. »Als …«
    Anscheinend vermochte er den Satz nicht zu Ende zu bringen.
    »Tom«, sagte sie sehr sanft, »ich bin nicht sicher, ob ich verstehe – du kannst Leute herausnehmen lassen?«
    Langsam nickte er. »Früher mal.«
    » Wie? «
    »Es ging um Geld.«
    »Aber so viel …?«
    »Ein paar große Klagen, unauffällig beigelegt, erinnerst du dich? Ich meine, wirklich große.«
    Janie überließ ihn für ein paar Augenblicke seinen Gedanken. Erinnerungen überkamen ihn. Und endlich teilte er sie mit ihr.
    Sie war fassungslos und tief erschüttert. »Aber ich wußte nicht, daß das damals gemacht wurde. Himmel, Tom – sie muß eine der ersten Infizierten gewesen sein.«
    »MR SAM’S erster Überfall, glaube ich«, bekannte er, »der allererste!«

    Das Leben findet immer einen Weg, selbst in den schlimmsten Zeiten, und während des Seuchenwinters, der auf die Schließung der Tore von Camp Meir für die Außenwelt folgte, wurde Michael und Caroline ein Kind geboren, eine wunderschöne kleine Tochter mit dem rotgoldenen Haar ihrer Mutter. Sie nannten sie Sarah nach der alten Frau, deren unbewußte Weisheit von den Antikörpern Alejandro Canches vor sechs Jahrhunderten so sorgfältig aufgezeichnet hatte: der Schlüssel zum Überleben ihrer Mutter im neuen Jahrtausend. Ihr zweiter Vorname lautete Janie, nach der Frau, die da war, um sie in gesegneter Vollkommenheit aus dem Schoß ihrer Mutter in Empfang zu nehmen, als sie endlich unter Protestgeschrei diese Welt betrat.
    Und jedesmal, wenn Janie Crowe das Baby an Carolines Brust sah, so sicher und ahnungslos, umgeben von der Liebe seiner Eltern und geschützt von der Wachsamkeit einer hingebungsvollen Gemeinde, mußte sie unwillkürlich an die Babys denken, die in diesem Winter draußen in den dunklen, kalten Schmerz hineingeboren wurden, der dort existierte. Voller Angst um ihre
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