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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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jetzt reicht’s – schalten Sie die Beleuchtung ein.« Mein Vater reichte ihm das Kabel der Krippe.
    In einem seiner Akrobatikakte gelang es Fermín, unter dem Tisch mit der Krippe hindurch zur Steckdose am anderen Ende des Ladentischs zu rutschen.
    »Und es ward Licht«, verkündete mein Vater, während er begeistert die neue Leuchtkrippe von Sempere & Söhne betrachtete. »Sich erneuern oder sterben«, fügte er befriedigt hinzu.
    »Sterben«, murmelte Fermín.
    Noch war keine Minute seit der offiziellen Erleuchtung vergangen, als eine Mutter mit drei Kindern an den Händen vor dem Schaufenster stehen blieb, um die Krippe zu bewundern, und nach einem Moment des Zögerns eintrat.
    »Guten Tag«, sagte sie. »Haben Sie Erzählungen über das Leben der Heiligen?«
    »Aber natürlich«, antwortete mein Vater. »Erlauben Sie mir, Ihnen die Sammlung Unser Herr Jesus zu zeigen, die wird Ihren Kindern ganz sicher gefallen. Reich illustriert und mit einem Vorwort von keinem Geringeren als Don José María Pemán.«
    »Oh, wie schön. Ehrlich gesagt, es ist heutzutage so schwer, Bücher mit einer positiven Botschaft zu finden, solche, bei denen man sich wohl fühlt, ohne die ganzen Verbrechen und Morde und all die Sachen, die keiner versteht … Finden Sie nicht auch?«
    Fermín verdrehte die Augen. Als er schon den Mund aufklappen wollte, konnte ich ihn eben noch rechtzeitig von der Kundschaft entfernen.
    »Da haben Sie vollkommen recht«, stimmte mein Vater bei, während er mir aus dem Augenwinkel und mit einer Grimasse bedeutete, Fermín zu fesseln und zu knebeln – diesen Umsatz wollten wir uns um nichts auf der Welt entgehen lassen.
    Ich drängte Fermín ins Hinterzimmer und versicherte mich, dass der Vorhang zugezogen war, so dass mein Vater das Geschäft in aller Ruhe abwickeln konnte.
    »Fermín, ich weiß auch nicht, was für eine Laus Ihnen über die Leber gelaufen ist, aber wenn ein Jesuskind von der Größe einer Straßenwalze und ein paar Tonschweine meinen Vater ermutigen und uns zudem Kunden zuführen, muss ich Sie bitten, Ihre existentialistischen Kanzelreden zu vergessen und wenigstens in den Geschäftsstunden ein zufriedenes Gesicht aufzusetzen, auch wenn ich weiß und respektiere, dass diese Krippengeschichte Sie nicht überzeugt.«
    Fermín seufzte und nickte beschämt.
    »Darum geht es nicht, lieber Daniel. Verzeihen Sie mir. Um Ihren Vater glücklich zu machen und die Buchhandlung zu retten, schreite ich nötigenfalls den Jakobsweg in Stierkämpfertracht ab.«
    »Es reicht, wenn Sie ihm sagen, Sie finden die Sache mit der Krippe eine gute Idee, und ihm den Willen tun.«
    Er nickte.
    »Aber natürlich. Nachher werde ich Señor Sempere um Verzeihung bitten für meine unangebrachten Bemerkungen und als Akt der Reue ein Krippenfigürchen beisteuern, um zu beweisen, dass mir in puncto weihnachtlichen Geistes nicht einmal die Warenhäuser das Wasser reichen können. Ich habe einen Freund im Untergrund, der Francos Gattin als Tonscheißerfigur herstellt, mit einem so realistischen Finish, dass man Gänsehaut kriegt.«
    »Passt bestimmt phantastisch zu einem Lämmchen oder einem König Balthasar.«
    »Was immer Sie meinen, Daniel. Und jetzt, wenn es Ihnen recht ist, tue ich was Nützliches und öffne die Kisten mit dem Posten der Witwe Recasens, die seit einer Woche Staub ansetzen.«
    »Soll ich Ihnen helfen?«
    »Keine Sorge, Sie haben ja ebenfalls zu tun.«
    Er ging aufs Lager am Ende des Hinterzimmers zu und schlüpfte in den blauen Arbeitskittel.
    »Fermín«, setzte ich an.
    Er wandte sich um und sah mich aufmerksam an. Ich zögerte einen Augenblick.
    »Heute ist etwas geschehen, was ich Ihnen erzählen möchte.«
    »Nur zu.«
    »Ich weiß nicht recht, wie ich es erklären soll, ehrlich gesagt. Da ist jemand gekommen und hat nach Ihnen gefragt.«
    »War sie hübsch?« Er versuchte eine scherzhafte Miene aufzusetzen, die aber den Schatten in seinen Augen nicht zu übertünchen vermochte.
    »Es war ein Herr. Ziemlich verwahrlost und ein wenig merkwürdig, um ehrlich zu sein.«
    »Hat er einen Namen hinterlassen?«
    »Nein. Aber er hat etwas anderes für Sie dagelassen.«
    Fermín blickte finster. Ich reichte ihm das Buch, das der Besucher ein paar Stunden zuvor gekauft hatte. Fermín ergriff es und studierte den Einband, ohne zu verstehen.
    »Aber das ist doch der Dumas, den wir für sieben Duros in der Vitrine stehen hatten, oder?«
    Ich nickte.
    »Schlagen Sie die erste Seite auf.«
    Er tat wie
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