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Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Bacons Finsternis: Roman (German Edition)
Autoren: Wilfried Steiner
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würde darin Bücher vermuten, und schon gar nicht geraubte Kunstwerke – aber wer sollte in meinem Schlafzimmer auch irgendetwas vermuten? Es kam ja nie jemand.
    Hinter den drei Bänden von Fluß ohne Ufer verbarg sich meine Beute in einem gefütterten Kuvert. Ich konnte das Bild jederzeit auch nur für Minuten herausholen und mich seiner Betrachtung widmen. Die Gefahr, dass mich dabei ein Sondertrupp der Kunstfahnder überraschen würde, hielt ich für vernachlässigbar.
    Ich konnte mir auch schwer vorstellen, wie ein solches Eindringen konkret aussehen sollte. Ein Wachtmeister der österreichischen Polizei, der an meiner Tür läutete und sagte: »Verzeihen Sie, wir haben da einen Hinweis erhalten, darf ich reinkommen?« Eine Gruppe von Männern in unauffälligen Anzügen mit einem Durchsuchungsbefehl? Ein Herr im karierten Sakko oder im Staubmantel, der mir einen Interpol-Ausweis unter die Nase hielt? Lachhaft. Im schlanken Schlafzimmerschrank war mein Freud so sicher wie in einem Kellertresor.
     
    Ein halbes Jahr nach meinem Mittagspausengespräch mit Maia gelang dem FBI ein Coup, der weltweit Aufsehen erregte. Bei einer Razzia im Kopenhagener Scandic Hotel am 16. September 2005 wurde das dritte Bild aus dem Stockholmer Einbruch vom Dezember 2000 sichergestellt: Rembrandts Selbstporträt aus dem Jahr 1630. Das Bild war unversehrt und steckte noch in seinem Originalrahmen. Ein Spezialermittler des FBI hatte mit den Tätern Kontakt aufgenommen und sich als steinreicher Kunstsammler ausgegeben. Der angebliche Kaufinteressent hatte für das auf 34 Millionen Euro geschätzte Porträt 165000 Euro angeboten. Bei der Übergabe im Scandic Hotel schlug die dänische Polizei zu. Wie die Fahnder in Los Angeles und Kopenhagen berichteten, war dieser spektakuläre Erfolg nur möglich, weil vorher monatelang der Fund des Renoir-Bildes Die junge Pariserin geheim gehalten werden konnte. Im Scandic Hotel wurden ein Mann aus Gambia, ein Iraker und zwei Schweden verhaftet. Zwei der Männer waren bereits 2001 wegen des Einbruchs vor Gericht gestanden, mussten aber wieder freigelassen werden, da man ihnen nichts nachweisen hatte können. Die beiden waren Boxer, einer von ihnen hatte es sogar bis zum schwedischen Meister gebracht. Das FBI in Los Angeles gab bekannt, dass zehn Beamte bereits seit zwei Jahren an der Aufklärung des Stockholmer Kunstraubs gearbeitet hätten. Wie sie im März an die Junge Pariserin herangekommen waren, wurde nicht verlautet. »Es ist einfach so, dass sowohl legal gekaufte als auch gestohlene Gemälde unheimlich oft in Los Angeles auftauchen« – das war alles, was sich FBI-Kunstexperte Paul Schaefer laut der schwedischen Zeitung Aftonbladet entlocken ließ.
    Der Sprecher der dänischen Polizei – er hieß ironischerweise Munch, Flemming Steen Munch – sagte, dass die Ermittlungen weitergehen würden, da es noch nicht klar sei, ob nicht weitere Personen an dem Raub beteiligt gewesen seien. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Drahtzieher noch auf freiem Fuß sei.
     
    »Sie erwischen ihn nicht«, sagte Maia. Sie hatte schon einen Tag bevor die Meldung in allen Medien war, von der Entdeckung gewusst und war am Nachmittag ins Antiquariat gekommen, um mir davon zu berichten. Es war einer der seltenen Nachmittage, an denen ich sie noch zu Gesicht bekam. Sie hatte mich im Mai um eine vorübergehende Stundenreduktion gebeten und arbeitete üblicherweise nur mehr vormittags im Maldoror . Nach Gründen zu fragen, hatte ich aufgegeben.
    »Und wenn er es nun gar nicht war?«, fragte ich. »Warum zum Teufel sollte er seinen Rembrandt einem Boxer anvertrauen?«
    »Möglicherweise musste er auf das Bild verzichten, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.«
    »Aber zum Zeitpunkt der Bildübergabe kann er nicht mehr involviert gewesen sein. Er wäre doch in keinem Fall diesem FBI-Agenten auf den Leim gegangen.«
    »Vielleicht steckte er ja in finanziellen Schwierigkeiten und musste das Porträt schon vorher an die Boxer verkaufen.«
    »Finanzielle Schwierigkeiten? Lohmeier?«
    »Auch Kunsträuber haben manchmal Liquiditätsprobleme.«
    »Wenigstens muss ich mir jetzt nicht mehr vorstellen, wie er mit Isabel in seinem Bunker sitzt und abwechselnd sie und den Rembrandt anstarrt.«
    »Er hat sicher genügend andere Bilder, mit denen er sie beeindrucken kann«, sagte Maia.
    »Aber das wichtigste fehlt ihm«, sagte ich.

 
    Sechs
     
    Am 14. Oktober 2005 eröffnete in Hamburg die Ausstellung Francis Bacon:
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