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Titel: B00G7SVP3K EBOK
Autoren: Simone Dietze
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ich keinen Grund mich an die Klagemauer zu stellen und meine Taschentücher auszuwringen.
    Immerhin ist mein Erdenleben bis jetzt ohne nennenswerte Katastrophen verlaufen. Wobei ich bezweifeln möchte, ob ich alles nur dem Glück zu verdanken ha be.
    Zufälligerweise hatte ich eben ein gutes Händchen. Ich hatte immer das richtige Gefühl zu handeln und die Dinge zu beeinflussen. Das war kein Glück, sondern zum großen Teil Intuition, die glückliche Umstände schuf.
    Ich war sinnlich genug, die schönen Seiten des Lebens zu genießen. Intelligent genug, mich und andere richtig einzuschätzen. Aber auch egoistisch genug, auf meinem Vorteil bedacht zu sein. Auch war ich unmoralisch genug, meine Schamgrenzen großzügig abzustecken. Pessimisten, die alles in Frage stellten, habe ich wie die Pest gemieden. Und Versager, die grundsätzlich die Schuld bei anderen gesucht haben, waren mir ein Gräuel. Ich habe lieber die Gesellschaft derer gesucht, die Macht genug hatten, etwas auf die Beine zu stellen. Aber auch mit ausreichend Naivität ausstaffiert waren, mir auf dem Leim zu gehen und wie an der goldenen Gans an mir kleben blieben.
    Solange ich selbst für mich verantwortlich war, lief alles wie geschmiert. Wenn sich mein Einfluss entzog, ging alles schief . Was man sehr anschaulich an meinem illustren Nachnamen erkennen kann. Mein wohlklingender Vorname verliert mit sofortiger Wirkung seinen Glanz, wenn man meinen Nachnamen erfährt.
    Luisa Elster! Wie klingt denn das? Nun mal ehrlich, das klingt doch wie : glänzend getarnt, aber diebisch veranlagt!
    Entsprechend schnippisch antworte ich meinen Mitmenschen, die meinen Nachnamen wissen wollen. Auf keinem Fall, verhalte ich mich beim Aufsagen verdächtig. Dabei bekomme ich jedes Mal rote Ohren. Es gab schon Situationen, da hätte ich am liebsten den Leuten die Augen ausgehackt , oder sie mit dem goldenen Löffel erschlagen.
    Nicht, weil sie sich über meinen Namen amüsierten . Nein, viel schlimmer empfand ich, wenn ich miterleben musste, wie sie sich reflexartig an die goldene Uhr griffen, oder instinktiv ertasteten, ob die Perlenkette noch am Hals hing. Gänzlich unerträglich empfand ich es, wenn man sich mit scheinheiligem Interesse nach meinen Vorfahren erkundigte. Während andere Menschen auf einen Stammbaum verweisen können, an dessen Geäst hochwohlgeborene Geschlechter baumeln, fließt durch meine Adern trübes Flusswasser, und das auch noch mit viel zu niedrigem Blutdruck. Das sind keine Erfindungen, sondern Tatsachen, die ich der Namensforschung zu verdanken habe und im Namensduden verewigt sind.
    Der Name „Elster“ stammt ursprünglich aus Sachsen. Das kann man ja noch gelten lassen. Da denkt man doch gleich an den sächsischen Glanz, im Sinne von monarchistischer Verschwendungssucht. An prunkvolle Schlösser, glorreiche Jagden, pompöse Maskenbälle, winselnde Lakaien, erotische Intrigen, feudale Sexorgien , und ganz nebenbei, auch an die Syphilis. Ja, da würde man schon ganz gern mitreden. Aber ich muss die Klappe halten, denn anstatt sich meine Vorfahren ein erquickendes Stelldichein am Hofe von August des Starken gaben, und mit ihren gebleichten Perücken den Schoß ihrer Mätressen puderten, beschränkte sich meine Abstammung auf die Weiße - bzw. Schwarze Elster. Zwei verdreckte Flüsse, die schon anno dazumal als Fäkalienauffangbecken dienten und dermaßen stanken, dass meine Name auch noch als sinnbildliche Vergleichsvorlage herhalten musste.
    „Du stinkst wie die Elster!“ Nun, da kann man jetzt nicht unbedingt stolz drauf sein, mit einer Kloake verglichen zu werden. Da bleibt einem nicht anderes übrig, als mit einem gleichgültigen Schulterzucken die historischen Fakten zu verharmlosen.
    Viel schmerzlicher jedoch, ist, die im Duden zusätzlich angefügte Behauptung, dass der Name „Elster“, der Vogelbezeichnung zugrunde liegt. Und in diesem Zusammenhang gern Menschen bezeichnet wurden, die eine diebische Veranlagung hatten. Diese Unterstellung grenzt an Verleumdung, an Rufmord, schmeckt nach Vorurteilen, die, man muss es mit geknickter Einsicht zugeben, wiederum auf Erfahrungen beruhten.
    Das Einzige, was mich mit dem schwarzweißen Federvieh verband und zu dessen Faible ich mich auch plakativ bekannte, war meine Vorliebe für funkelndes Geschmeide. So gesehen, ist meine Namensgebung geradezu ein wesensverwandter Volltreffer. Wenn man einmal von den kleptomanischen Grundbedürfnissen dieser Vogelart absieht. Denn bereits als Kind war
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