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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt
Autoren: Dora Heldt
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Name, auf den ich gewartet hatte.
    Ich drückte auf die grüne Taste, hörte seine weiche Stimme.
    »Geht es dir gut?«
    Edith schwieg, Charlotte summte Dido.
    Ich musste nachdenken, um die richtige Antwort zu finden. »Ich glaube schon.«
    Wir sprachen noch eine Weile miteinander. Als das Gespräch |205| beendet war, hatte ich seine Stimme im Ohr und sein Gesicht vor Augen.
    Er war das Beste, was mir hatte passieren können. Ich fühlte mich lebendig mit ihm.
    Ich erinnerte mich an die Sätze von Marleen.
    »Wann hast du das letzte Mal Herzklopfen gehabt?«
    Das hatte ich jetzt oft. Und es tat gut.
    »Genieß, was du da hast. Und wenn es schief geht, kannst du auch in einem halben Jahr wieder drüber lachen.«
    Sie hatte Recht.
    Es würde so kommen, wie es kommen sollte.
    Der Zug hatte angehalten. Meine Überlegungen auch.

|206|

    Schlussstrich
    Die Kirchturmuhr schlug zehnmal, als ich mein Auto in die Parklücke vor dem Amtsgericht fuhr. Ich war genau eine Stunde zu
     früh. Ich hatte mich von einem Satz in diesem Schreiben verrückt machen lassen.
    »Das persönliche Erscheinen der Parteien ist angeordnet.«
    Er war furchteinflößend, dabei hatte ich nie erwogen, nicht persönlich zu erscheinen.
    Als ich am Vorabend im Bett lag, gingen mir lauter Horrorszenarien durch den Kopf.
    Staus, überflutete Straßen, gesperrte Straßen, Unfälle, Umleitungen ohne Schilder. Ich dachte darüber nach, welche Konsequenzen
     eintreten würden, wenn ich als Partei nicht persönlich erscheinen könnte.
    Ich hatte das Licht wieder angemacht und meinen Wecker eine Stunde vorgestellt.
    Es war nicht notwendig, ich schlief gegen 4   Uhr ein und wachte um kurz vor 6   Uhr wieder auf.
    Ich trank im Bademantel drei Tassen Milchkaffee. Als ich meine zitternden Hände bemerkte, kochte ich mir eine Kanne Kräutertee.
     Mit der Teetasse in der Hand stand ich eine halbe Stunde vor meinem Kleiderschrank und überlegte, was man zu einem solchen
     Termin anzog.
    Ich ging erst duschen, danach trank ich weiter Tee und rauchte fünf Zigaretten. Ich behielt die Uhr im Blick.
    Um 7:30   Uhr wurde ich hektisch.
    Ich fror, während ich in Unterwäsche den Kleiderschrank durchsuchte. Schließlich zog ich den grauen Hosenanzug an, ich hatte
     ihn zur Verabschiedung eines Verlagskollegen gekauft, |207| zusammen mit dieser roten Bluse. Während ich mich im Spiegel musterte, fiel mir ein, dass Rot aggressiv macht. Also zog ich
     die Jacke wieder aus, tauschte die Bluse mit einem schwarzen Rollkragenpullover, zog die Jacke wieder an.
    Mit dem Bild im Spiegel war ich zufrieden, ich wirkte geschäftsmäßig und erwachsen, bei näherem Hinsehen sah ich, dass ich
     vergessen hatte, mich zu schminken. Ich zog die Jacke wieder aus, schminkte mich mit zitternden Händen. Dass der Lidstrich
     schief war, würde man nur bei näherem Hinsehen merken, vermutlich ging es so durch.
    Um 8   Uhr war ich startbereit und machte mich auf den Weg.
    Die Temperaturen waren für Ende Februar fast mild, die Straßen waren frei. Es war trocken, und als ich eine Stunde später
     die Autobahn Richtung Nordsee verließ, fielen mir in den Gärten die ersten Krokusse auf.
    Das Schlimmste ist vorbei, dachte ich und wusste nicht, ob ich den Winter oder etwas anderes meinte.
    Ich lenkte meine Gedanken auf den Termin, den ich um 14   Uhr in einer Buchhandlung haben würde. Die anderen drei Kunden hatte ich um eine Verschiebung wegen eines privaten Termins
     gebeten, was kein Problem gewesen war. Den 1 4-Uhr -Termin konnte ich gut schaffen, die Buchhändlerinnen waren nett, der Ort lag auf meinem Rückweg. Danach begann das Wochenende,
     ich überlegte, was ich mir vornehmen könnte, vielleicht Kino oder ein Essen mit Luise.
    Edith holte Luft, ich drehte das Radio lauter.
    »Bitte jetzt nicht«, sagte ich und erschrak selbst, dass ich schon wieder laut redete.
     
    Die Fahrt hatte wie immer etwa zwei Stunden gedauert. Da weder eine Straße überflutet noch gesperrt gewesen war, hatte ich
     jetzt noch eine Stunde Zeit. Mein Magen zog sich zusammen, ich war mir unsicher, ob es Hunger oder Aufregung war, es fühlte
     sich jedenfalls nicht gut an.
    Gegenüber vom Amtsgericht war eine Bäckerei mit Stehcafé. |208| Als Bernd und ich noch zusammen Wochenendeinkäufe machten, hatten wir da manchmal Kaffee getrunken.
    Ich schloss mein Auto ab, nahm meinen Mantel über den Arm und ging in die Bäckerei. Die Verkäuferin war noch dieselbe. Sie
     lächelte, als ich eintrat.
    »Hallo, na, Sie
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