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Aufbruch zu den Sternen - Roman

Aufbruch zu den Sternen - Roman

Titel: Aufbruch zu den Sternen - Roman
Autoren: Heyne
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gewesen war, die Motive und das Verhalten dieser leidenschaftlichen Familie so genau zu analysieren.
    Ein reiner Glücksfall hatte ihn, wie es schien, von Chicago nach London gebracht, und er war sich dieser Tatsache beinah zu bewusst. Vor ein paar Monaten hatte der Einfluss, den Walter Pater auf ihn ausgeübt hatte, langsam nachgelassen. Die kleine überfüllte Bühne des Italiens der Renaissance hatte ihren Reiz verloren – wenn man ein so mildes Wort auf jenen Mikrokomos von Verschwörung und Mord überhaupt anwenden konnte. Es war nicht das erste Mal, dass seine Interessen gewechselt hatten, und er befürchtete, dass es auch das letzte Mal nicht sein werde, da er immer noch auf der Suche nach einer Arbeit war, der er sein ganzes Leben widmen konnte. In einem depressiven Augenblick hatte er zu seinem Dekan gesagt, dass wahrscheinlich nur die Zukunft ein Thema enthielt, das seinen innersten Wünschen entsprach. Diese beiläufige und nur halb ernst gemeinte Klage war mit einem Schreiben von der Rockefeller-Stiftung zusammengefallen, und ehe er sich's versehen hatte, war er bereits auf dem Wege nach London gewesen.
    In den ersten paar Tagen fühlte er sich von dem Gespenst der eigenen Unfähigkeit verfolgt. Das war jedoch schon immer so gewesen, sobald er eine neue Tätigkeit aufgenommen hatte, und es würde auch diesmal wieder vorübergehen. Nach etwa einer Woche glaubte er einen ungefähren Überblick über die Organisation zu haben, in die er so unvermutet hineingeraten war. Sein Selbstvertrauen kehrte zurück, und die Spannung, unter der er gestanden hatte, ließ nach.
    »Heute am 3. Mai 1978 bin ich genau eine Woche in London – und habe außer der Umgebung von Bond Street und Waterloo noch nichts von der Stadt gesehen. Bei schönem Wetter gehen Matthews und ich nach dem Lunch gewöhnlich ein Stück am Fluss entlang. Wir gehen über die ›Neue‹ Brücke (die erst vor vierzig Jahren erbaut wurde!) und laufen stromaufwärts oder in entgegengesetzter Richtung, je nach Lust und Laune, und kommen über Charing Cross oder Blackfriars zurück. Der Weg bietet eine Menge Varianten, ob man so oder so geht.
    Alfred Matthews ist ungefähr vierzig und für mich von großer Hilfe. Er hat einen außergewöhnlichen Sinn für Humor, ich habe ihn jedoch noch nie lächeln sehen – darin ist er eisern. Er scheint in seinem Fach genau Bescheid zu wissen – besser jedenfalls, möchte ich behaupten, als McAndrews, der als sein Chef gilt. Mac ist etwa zehn Jahre älter und ist genau wie Alfred über den Journalismus zu Public Relations gekommen. Er ist ein hagerer, ewig hungrig aussehender Mensch und spricht mit einem leichten schottischen Akzent – den er jedoch sofort ablegt, wenn er in Erregung gerät. Das müsste als Beweis für irgendetwas gelten, ich kann mir nur nicht vorstellen wofür. Er ist kein übler Kerl, sehr klug scheint er jedoch nicht zu sein. Alfred macht die eigentliche Arbeit, und das Verhältnis der beiden zueinander ist stets leicht gespannt. Das macht es mitunter schwierig, mit beiden gleichzeitig gut auszukommen.
    Nächste Woche hoffe ich, diesen und jenen näher kennenzulernen und meinen Gesichtskreis zu erweitern. Besonders liegt mir daran, die Techniker kennenzulernen – aber ich gehe den Wissenschaftlern vorläufig noch aus dem Wege, bis ich etwas besser über Atomantriebe und interplanetarische Flugbahnen Bescheid wissen werde. Alfred will mir all das in der nächsten Woche beibringen – behauptet er wenigstens. Außerdem hoffe ich dahinterzukommen, wie ein so außergewöhnlicher Bastard wie das INTERPLANETARIUM überhaupt entstanden ist. Es scheint eine typisch britische Kompromisslösung zu sein, und es gibt fast keine dokumentarischen Anhaltspunkte über seinen Ursprung und sein Zustandekommen. Das Ganze ist ein einziger großer Widerspruch in sich. Es existiert in einem Zustand chronischen Bankrotts und verbraucht dennoch an die zehn Millionen jährlich (Pfunde Sterling nicht Dollar). Die Regierung hat in der Verwaltung kaum mitzureden, und irgendwie scheint das Unternehmen auf so autokratischen Füßen zu stehen wie die BBC. Doch wenn es im Parlament angegriffen wird (was fast jeden Monat einmal vorkommt), steht stets ein Minister zu seiner Verteidigung auf. Vielleicht ist Mac am Ende doch ein besserer Organisator, als ich mir einbilde.
    Ich habe es ›Britisch‹ genannt, aber das stimmt natürlich nicht. Ungefähr ein Fünftel der Belegschaft sind Amerikaner, und ich habe bereits alle
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