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Aschebraut (German Edition)

Aschebraut (German Edition)

Titel: Aschebraut (German Edition)
Autoren: Alison Gaylin
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ließ.
    Ihm stockte der Atem, doch nach einem Augenblick stieß er mit ehrfürchtiger Stimme aus: »Mein Gott, wie schön du bist.«
    »Bist du bereit?«, erkundigte sich seine Lula Belle, sein zukünftiger Star.
    Er wollte schon erwidern: So bereit, wie es nur geht – als plötzlich eine andere Stimme sagte: »Einen Augenblick.«
    Er kannte diese Stimme, und als er sich umdrehte, sah er, dass der Mann, dem sie gehörte, in der Ecke saß – in Jeans und einem schwarzen T-Shirt, das ihm deutlich besser stand als das schwarze T-Shirt, das RJ selbst trug. In den Jahren, seit sie sich zum letzten Mal gesehen hatten, war dem Kerl ein dichter Bart gewachsen, und auch der war deutlich hübscher als das Haar in RJs Gesicht.
    Sie hatte Shane Smith zu diesem Shooting mitgebracht?
    »Hi, RJ«, grüßte ihn Shane. »Freut mich, dich zu sehen.«
    Wie seltsam doch das Leben war. Als sie sich zum letzten Mal gesehen hatten, hatte Shane, das Arschloch, so getan, als würde er ihn gar nicht kennen – nachdem er sein Leben und seine Karriere an der Filmakademie zerstört und obendrein dafür gesorgt hatte, dass er im Knast gelandet war.
    Während der vergangenen drei Jahre hatte sich RJ die Rede, die er diesem Mistkerl halten würde, falls er ihn jemals im Leben wiedertreffen sollte, sorgfältig zurechtgelegt. Aber jetzt, als er ihm plötzlich gegenüberstand, nachdem inzwischen meterhohes Gras über die Angelegenheit gewachsen war – und Lula Belle sie beide sah –, lächelte er einfach stumm zurück. Schließlich wäre ohne Shane aus RJs großem Projekt niemals etwas geworden.
    Offensichtlich hatten wirklich sämtliche Ereignisse in seinem bisherigen Leben ihn an diesen Punkt geführt.
    Shane stand auf, umarmte ihn, und RJ umarmte ihn genauso fest zurück. Ich erfülle mein Leben mit heilendem Licht. Es ist kein Zeichen von Schwäche, einem anderen Menschen zu verzeihen . Am Ende fügt sich immer alles irgendwie zum Besten , machte er sich Mut .
    »Wir haben uns ja schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen.« RJ nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass Lula Belle den Morgenmantel wieder anzog … ehe sie und Shane sich flüchtig zunickten.
    »Viel zu lange«, stimmte ihm sein alter Kumpel zu. »Aber das passiert uns nicht noch mal.«

1
    Sie will sterben.
    Die Erinnerung sprang Brenna Spector an wie die Schrift auf einer Werbetafel irgendwo am Straßenrand – nur einen kurzen Augenblick zu sehen, aber trotzdem grundsolide und real. Brenna hatte auf das Bild ihrer neuesten Vermissten auf dem Bildschirm des Computers ihres Assistenten Trent LaSalle gestarrt. Wobei diese Person kaum mehr als ein von hinten beleuchteter Schatten hinter einem Leinentuch war – Gliedmaßen und Rundungen und flauschig weiches Haar, aber keine Details, keine Farbe, kein Gesicht. Sie schien nackt zu sein, wobei nicht einmal das eindeutig zu erkennen war. Dann aber klopfte die Schattenfrau sich dreimal mit dem Finger an die Unterlippe und rief dadurch die Erinnerung in Brenna wach.
    Zwei Monate zuvor, während der eisige Wind ihnen in die Gesichter beißt und überall um sie herum so eisiges Wasser stiebt, dass es sich in die Haut zu brennen scheint, sieht sie in die Augen einer jungen Frau. Die Ärmste sieht vollkommen fertig aus, obwohl ihr Freund hinter ihr steht, eine Hand auf ihre Schulter legt und so fest zudrückt, dass sämtliche Farbe aus den Fingerspitzen weicht. Dann sieht sie wieder auf die junge Frau, der die Mascara über die Wangen läuft, die noch fertiger als Maya und sie selbst aussieht und eine bodenlose Traurigkeit verströmt, während ihr ahnungsloser Freund sie lächelnd an sich zieht. Sie hasst es hier. Das tun wir alle, aber dieses Mädchen …
    Es kommt Brenna wie ein Morsezeichen vor, als sich das Mädchen dreimal an die Unterlippe klopft.
    Sie will sterben.
    »Mann, ist dieses Mädchen heiß«, stellte ihr Assistent in diesem Augenblick mit ehrfürchtiger Stimme fest.
    Brenna kehrte aus ihrer Erinnerung zurück und blickte wieder auf den Monitor. »Uh, Trent? Sie ist lediglich eine Silhouette.«
    »He, das sind die Tussis auf den Schmutzfängern der Laster auch.«
    Brenna verdrehte die Augen.
    »Du wirst verstehen, was ich meine, wenn es weitergeht.«
    Wie aufs Stichwort fing die Schattenfrau mit einer Reihe zweideutiger Yoga-Dehnübungen an – beugte sich langsam zurück, machte das spitze V des abwärtsgerichteten Hundes, richtete sich übergangslos wieder auf, beugte sich nach vorn, umfasste ihren rechten
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