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Arto Ratamo 7: Der Finne

Arto Ratamo 7: Der Finne

Titel: Arto Ratamo 7: Der Finne
Autoren: Taavi Soininvaara
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Der da hat den ganzen Vormittag in meinen Schränken rumgewühlt. Wenn ich allein gepackt hätte, wär’s viel schneller gegangen«, erwiderte Nelli und zeigte vorwurfsvoll auf ihren Vater, der auf dem Fußboden saß.
    »Kommst du also dann am nächsten Wochenende Nelli abholen? Damit wir mit Jussi nicht extra nach Helsinki fahren müssen?«, fragte Marketta, und Ratamo versprach ihr zu kommen.
    Die drei schleppten Taschen und Beutel die Treppe hinunter und auf die Straße, die alte Dame Musti folgte ihnen und hinkte dabei auf der linken Hinterpfote. Ratamoversuchte Nelli einen Kuss zu geben, aber die befreite sich mit einer raschen Drehung aus seinem Griff und schwang sich ins Auto auf den Beifahrersitz.
    »Benimm dich ordentlich und überrede Jussi nicht zu irgendwelchen Dummheiten«, rief Ratamo ihr noch zu, bevor Marketta Gas gab und mit ihrem Kleinwagen in Richtung Tehtaankatu fuhr. Als das Auto verschwunden war, zog ein seliges Lächeln über Ratamos stoppliges Gesicht.
    Kurze Zeit später goss er sich in seiner Küche eine tiefrote Flüssigkeit aus einer Flasche Château Pierredon in ein Kristallglas. Das ist die Nummer eins unter den Urlaubsgeräuschen, dachte er, als man das Gluckern des Weines hörte. Nachdem die Roggenbrotscheiben im Toaster hochgeschnellt waren, bedeckte Ratamo sie reichlich mit Graved Lachs und setzte sich dann genussvoll seufzend an den Bauerntisch. Auf diesen Augenblick hatte er gewartet wie ein Schuljunge auf das Ende der letzten Stunde vor den Sommerferien. Für einen alleinerziehenden Vater war es eine seltene Freude, einmal eine ganze Woche nur für sich zu haben. Und er musste nicht einmal Gewissensbisse haben, weil Nelli selbst vorgeschlagen hatte, nach Pusula in Markettas Ferienhaus zu fahren.
    Und obendrein war er auch noch Strohwitwer. Ilona hatte im Winter ein größeres Stipendium erhalten und damit für den Sommer ein Atelier im Haus des Finnischen Künstlerverbandes in der Nähe von Florenz gemietet. Ratamo wurmte es allerdings, dass Ilona die ganze Zeit, in der er Urlaub hatte, im Stiefelland mit ihrer Kunst verbringen wollte. Mal sehen, ob er sie mit Nelli zusammen besuchen würde oder nicht. Sicherheitshalber hatte er schon mit Nellis Schuldirektor vereinbart, dass sie eine Woche später als die anderen wieder mit der Schule beginnen durfte.
    Der Wein und die Urlaubsgedanken wirkten entspannend. Er nahm das Kristallglas und das letzte Lachsbrot,ging ins Wohnzimmer und kramte in seinem chaotischen Plattenregal, bis er J. J. Cales CD »Travel Log« fand. Als Cales Gitarre aufheulte, ließ er sich mit ausgestreckten Beinen und Armen aufs Sofa fallen und starrte die Gipsfiguren auf dem Fensterbrett herausfordernd an. Wer würde als Erster dem Blick nicht standhalten? Aber sowohl Lenin und Elvis als auch Kekkonen ließen sich nicht auf dieses Duell ein.
    Er hatte Appetit auf Kautabak, wie immer, wenn er Wein trank. Rasch schob er sich einen Nikotinkaugummi in den Mund und versuchte nicht daran zu denken, dass er sich das Tabakkauen abgewöhnen wollte. Drei Wochen Urlaub lagen hinter ihm und genau so viel noch vor ihm. Im Laufe des Winters hatte er sich bei der Sicherheitspolizei zusätzliche freie Tage verdient, weil er im Trubel einiger komplizierter Ermittlungen selbst an Wochenenden von früh bis spät geschuftet hatte. Auch der Arzt hatte ihm einen längeren Urlaub empfohlen: Er litt unter Schlaflosigkeit, gegen die nicht einmal die stärksten verschreibungspflichtigen Tabletten halfen, und zu allem Übel hatte man ihm im Frühjahr auch noch Blutdruckmedikamente verordnet. Es tröstete ihn nicht im Geringsten, dass er Tausende Schicksalsgefährten hatte, finnische Männer um die vierzig, die sich angesichts ihrer gesundheitlichen Probleme eingestehen mussten, dass die Jugendzeit vorbei war. Die Schuld an den Beschwerden gab er dem Stress und dem Umstand, dass keine Zeit mehr blieb, Sport zu treiben.
    Ratamo behielt den Wein lange auf der Zunge, klopfte mit dem Fuß im Takt von J. J. Cales »No Time« auf das Sofakissen und überlegte, wie unglaublich schnell die letzten zwanzig Jahre vergangen waren. Das Medizinstudium, die Hochzeit, Nellis Geburt, die Jahre als Virusforscher in der EELA, die entsetzlichen Erlebnisse im Sommer 2000, der Tod seiner Frau Kaisa, die Polizeischule, das kurze Zusammenlebenmit Riitta Kuurma, die Arbeitsstelle bei der Sicherheitspolizei und die schwierigen Ermittlungen. In den letzten sechs Jahren bei der SUPO hatte er unendlich mehr
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