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Arto Ratamo 7: Der Finne

Arto Ratamo 7: Der Finne

Titel: Arto Ratamo 7: Der Finne
Autoren: Taavi Soininvaara
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dem Leben bezahlt.
    Meine Anwältin schickt Dir diesen Brief in meinem Auftrag, weil ich gezwungen bin, mich zu verstecken. Leider kann ich keinerlei Kontakt zu Dir und überhaupt zur Außenwelt aufnehmen. Ich wage nicht, Dir per Brief mehr zu erzählen, und ich kann Dir keinerlei Beweise schicken, weil sie mit Sicherheit meinen Verfolgern in die Hände fallen würden.
    In meinem Besitz befindet sich ein Dokument, das die Wahrheit über die letzten Kriege Finnlands, über die Gründe für ihren Ausbruch und ihre Beendigung, über Verbrechen, die das Leben von Millionen Menschen forderten, und über viel, viel mehr aufdeckt. Das Dokument ist das einzige seiner Art, es existiert keinerlei Kopie, und ich muss es in Sicherheit bringen, das heißt, ich muss dafür sorgen, dass es in Deinen Besitz gelangt.
    Du findest das Dokument einschließlich der Beweise unter den Kartenkoordinaten, die ich Dir vor langer Zeit beigebracht habe. Wenn Du Dich dazu entschließen kannst, nach Lappland zu reisen, wirst Du Hilfe benötigen. Am Ende des Briefes gebe ich Dir die Telefonnummern eines kompetenten Führers für den Weg durch die Einöde und eines einflussreichen Polizisten, den ich kenne. Nimm Kontakt zu ihnen auf.
    Mit Blick auf die Sicherheit von uns beiden ist es äußerst wichtig, dass Du von diesem Brief, von meiner Situation oder von Dingen, die Dir später zur Kenntnis gelangen werden, niemandem etwas sagst. Geh auch nicht in meine Wohnung und melde Dich nicht bei meinen Bekannten.
    Und denke immer daran, die Wahrheit liegt hinter der Hand …
     
    Otto Forsman
     
    Eerik Sutela starrte auf die Telefonnummern am Ende des Briefes, schlurfte ins Wohnzimmer und ließ sich aufs Sofa fallen. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Hatte sein Vater den Verstand verloren? Er war verblüfft, ungläubig und zugleich neugierig. Schließlich beschloss er, ihn anzurufen, aber nicht einmal der Anrufbeantworter meldete sich. Rasch holte er sein Telefonverzeichnis aus dem Flur und rief auf der Stelle den Nachbarn seines Vaters an, aber der hatte schon seit Wochen nichts von Otto Forsman gehört.
    Als der erste Schock verklungen war, war Sutela gewillt, auch die Alternative in Erwägung zu ziehen, dass die Behauptungen in dem Brief stimmten. Wo hätte seinem Vater ein solches Dokument in die Hände fallen können? Und wann? Die wahrscheinlichste Variante war offensichtlich die Kriegszeit. Das zeigte auch das Versteck des Dokuments; die in dem Brief erwähnten Kartenkoordinaten verwiesen auf einen Ort im russischen Teil Lapplands, in der Nähe von Petsamo. Unzählige Male hatte ihm sein Vater von der Teufelskirche in Jäniskoski erzählt, einer Höhle, in der sein Kamerad im Juli 1944 begraben worden war. Sein Vater hatte ihn schon als kleinen Jungen gezwungen, die Koordinaten der Teufelskirche auswendig zu lernen – 68°57
'
21.5
"
N und 28°45
'
27.0
"
E. Jetzt wurde ihm klar, warum.
    Er ging in sein Arbeitszimmer, dessen Wände Bücherregale bedeckten, setzte sich hin und legte den Brief auf den Tisch. Vielleicht war auch das wieder nur ein Versuch, der ihn dazu bringen sollte, etwas zu tun, was sein Vater wollte. Sutela las den Brief ein zweites Mal, dann ein drittes und auch noch ein viertes Mal und schaffte es, sich so zu ärgern, dass er in Wut geriet.
»Wenn Du imstande bist, meinen Anweisungen zu folgen, und nicht zurückweichst, sobald Schwierigkeiten auftauchen … Wenn Du Dich dazu entschließen kannst, nach
Lappland zu reisen …«
Wieder einmal behandelte der Alte ihn geringschätzig und versuchte ihn zu manipulieren. Wutentbrannt marschierte Sutela zum Barschrank im Wohnzimmer und mixte sich im Handumdrehen einen Drink, der »Blechdach« genannt wurde. Er kippte den Wodka mit Zitronensaft in einem Zug hinunter, es brannte in der Kehle. Die Wut ließ ein wenig nach.
    Sutela gab bereitwillig zu, dass er seinen Vater nicht besonders mochte, und er schämte sich nicht dafür. Otto Forsman war ein gefühlloser Organisator, der ihn wie ein preußischer Offizier erzogen hatte. Er genoss es, wenn er sich in die Angelegenheiten anderer Leute einmischen konnte, und es war ihm egal, welche Probleme er seinen Opfern bereitete. Angeblich hatte Mutter ihn seinerzeit deshalb verlassen. Und zugleich auch ihren Sohn. Im Mai 1970.
    Erschrocken spürte er, dass sich ein Migräneanfall ankündigte, der pochende Kopfschmerz begann immer in der linken Augenhöhle. Er zog die dunklen Vorhänge zu und nahm eine Tablette Imigran. Dann ließ er
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