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Arbeit und Struktur - Der Blog

Arbeit und Struktur - Der Blog

Titel: Arbeit und Struktur - Der Blog
Autoren: Wolfgang Herrndorf
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vor der Kabine auf der Heizung saßen und sich über mich lustig machten, und las erst den Ofterdingen und dann die Lehrlinge zu Sais. Letzteres grauenvolle Lektüre, wenn man übermüdet ist, und wahrscheinlich auch, wenn man nicht übermüdet ist. Zu einer Zeit, wo ich noch nicht wußte, daß Sätze voller großer Begriffe auch einfach mal nichts bedeuten können. Schlimmer als das eigentlich nur noch Brentano.

    Und was ich suchte und mir vorstellte unter dem Begriff Romantik, fand ich schließlich in Jane Eyre. Begeistert mich auch bei der Zweitlektüre. Rasend gut gebaute, schnelle Szenen.

    Eigenartiger Eindruck in der Zigeunerszene: Man verkleidet sich und wird von seinen Liebsten nicht erkannt, denen man aus der Hand liest. Ob das wirklich funktioniert hat in früheren Jahrhunderten, vor der fotografischen Wahrnehmung der Welt? Der Topos ist ja weit verbreitet.

    Meine Lieblingsstelle immer noch ihre einsame Wanderung. Wie sie fast verhungert, wie sie übernachtet zwischen Felsen und Heidekraut. Wo man sieht: ein Mensch. Und auch 150 Jahre nach ihrem Tod ist es immer noch: ein Mensch.

    Nach dem Antrag Rochesters wird das Buch allerdings etwas verschwafelt, das ist schade.

    17.5. 2010 13:07

    C. hat das erste Kapitel sehr effektiv zusammengestrichen. Die Überlegungen mit dem Anwalt mußte ich wieder reinschreiben, das scheint mir zu wichtig als Information über seine Naivität, aber ansonsten ist Geschwindigkeit das Wichtigste. Hatte ich bei Plüschgewittern unendlich lang gehadert und es am Ende auch nicht hingekriegt.

    18.5. 2010 15:00

    Einfach mal bei Dr. Vier angerufen. Nein, an den Ohren, das hat nichts mit Glioblastom zu tun. Sofort sind alle Schmerzen weg.

    23.5. 2010 15:00

    Tage der Arbeit. Passig kommt und liest die erste Hälfte, findet es so mittel, Roadmovie, kein Ziel, keine Aufgabe. Nicht schlechter als Plüschgewitter, aber die waren ja auch schon mittel.

    24.5. 2010 20:15

    Weil ich mich selbst nicht mehr als Person wahrnehme, kommt es mir vor, als ob auch andere mich nicht mehr so wahrnehmen, sondern nur noch als Schatten, als etwas, mit dem nicht mehr zu rechnen ist. Ich versuche mich zu erinnern, wie meine Gefühle gegenüber Todgeweihten waren. Oft muß ich an Chris denken, dem ich in den letzten Tagen und Wochen immer wieder auf der Straße begegne. Ich war ihm nie nahe, und ich erinnere mich auch eigentlich nur an einen einzigen Satz aus unserer letzten Unterhaltung im NBI, wo er sagte: Ich habe mich damit abgefunden. Das fand ich mehr als erstaunlich damals. Er hatte noch drei Jahre oder so. Aber habe ich ihn noch ernstgenommen? Ich weiß es nicht mehr.

    Dosiseskalation auf 390 mg, fünf Tage. Mein Magen macht sich den ganzen Tag bemerkbar, aber vor Tabletteneinwurf. Danach bleibt alles ruhig.

    28.5. 2010 21:00

    Patrick fragt unbefangen und ausführlich nach, der erste.

    29.5. 2010 22:32

    Einzige Nebenwirkung nach dem fünften und letzten Tag der Chemotherapie scheint Müdigkeit zu sein. Jetzt kann ich nicht mehr. Mein Roman langweilt mich. Kann aber auch daher kommen, daß ich zwei Monate ohne Unterbrechung von morgens bis abends gearbeitet habe. Ich versuche, mir einen freien Tag zu nehmen, woraufhin auf Jörgs Gartenparty ein erster Verzweiflungsanfall erfolgt. Vielleicht die vielen unbekannten Leute, vielleicht die Kinder, vielleicht der bürgerliche Lebensentwurf mit Haus bauen und allem. Muß kurz mit Marek vor die Tür, dann geht es wieder. Aber meine Abendunterhaltung mit Passig auch sehr monothematisch. Besser morgen wieder arbeiten.

    30.5. 2010 9:12

    Traum: A. ruft an und fragt, wie es mir geht. Ich sage es ihr, und der Traum ist vorbei. Seit ein paar Wochen liegt der Zettel mit ihrer Telefonnummer hier, ich schaffe es nicht, dort anzurufen.

    31.5. 2010 9:57

    Traum: Wir geraten in einen Banküberfall, ich stelle mich schützend vor C., wie ich das in Filmen gesehen habe, ein wenig ironisch auch. Dann merke ich, daß wirklich mehrere Gewehrmündungen auf uns gerichtet sind. C. zittert und hat Angst, ich bleibe ruhig. Als der Überfall vorbei ist, wird das Gelände in eine Rollschuhbahn umgewandelt, und ich laufe mit Per Leo Rollschuh.

    31.5. 2010 20:17

    Bleierne Müdigkeit. Es ist viel schwerer, unter Müdigkeit zu arbeiten als unter Konzentrationsstörungen. Den Termin Mitte Juni kann ich knicken.

Fünf : 

    1.6. 2010 11:53

    Müdigkeit weg. Und hey, ich kann auch drei Kapitel am Tag. Das wollen wir doch erstmal sehen, ob sie beim Deutschen Jugendbuchpreis
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