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Anthrax

Anthrax

Titel: Anthrax
Autoren: Robin Cook
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unrasiert – von den Ohren bis zum Kinn sah er aus wie mit Ruß beschmiert – und er hatte schwarze Ringe unter den Augen. Zudem war seine Kleidung zerknautscht, der obere Knopf seines einstmals weißen Hemdes stand offen, und die Krawatte hatte er gelockert.
    »Dies ist Special Agent Gordon Tyrrell«, erklärte Lou und deutete auf den neben ihm Sitzenden. Der Mann stand auf und streckte Jack die Hand entgegen.
    »Heißt das, Sie sind vom FBI?« fragte Jack, während er die Hand des Mannes schüttelte. »Genau das«, bestätigte Tyrrell.
    Jack hatte noch nie die Hand eines Mitarbeiters des Fe-deral Bureau of Investigation geschüttelt, doch er hatte sich das Gefühl etwas anders vorgestellt. Tyrrells Hand war leicht, beinahe unmännlich, und sein Händedruck schlaff und zögernd. Der Mann besaß eine kleine schmächtige Figur und entsprach auf keinen Fall dem maskulinen Klischee eines FBI-Agenten, mit dem Jack groß geworden war. Tyrrells Kleidung wirkte konservativ, aber adrett. Alle drei Knöpfe seines Jacketts waren zugeknöpft. In vielerlei Hinsicht erschien er zumindest äußerlich als das genaue Gegenteil von Lou.
    »Und was geht hier vor?« wollte Jack wissen. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich Sergeant Murphy das letzte Mal so früh im Institut gesehen habe.« Murphy lachte und wollte protestieren, doch Lou unterbrach ihn.
    »Gestern nacht ist ein Mord passiert, für den sich das FBI brennend interessiert«, erklärte Lou. »Wir hoffen, daß die Autopsie ein wenig Licht ins Dunkel bringt.«
    »Um was für einen Fall handelt es sich denn?« hakte Jack nach. »Schuß- oder Stichverletzung?«
    »Ein bißchen von allem«, informierte Lou ihn. »Der Leichnam wurde fürchterlich zugerichtet. So schlimm, daß es selbst dir den Magen umdrehen dürfte.«
    »Ist die Leiche schon identifiziert?« erkundigte Jack sich.
    Bei stark verunstalteten Leichen war die Identifizierung manchmal das Schwierigste an der ganzen Sache. Lou sah Gordon mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er wußte nicht, inwieweit der Fall vertraulich behandelt werden mußte.
    »Ist schon okay«, gab Tyrrell seine Zustimmung. »Ja«, fuhr Lou fort. »Sie ist bereits identifiziert. Der Name des Toten lautet Brad Cassidy. Ein zweiundzwanzigjähriger kaukasischer Skinhead.«
    »Du meinst, einer von diesen rassistischen Spinnern mit eintätowierten Naziemblemen, schwarzer Lederjacke und schwarzen Springerstiefeln?« fragte Jack. Er sah dieses Pack ab und zu in den städtischen Parks herumhängen. Noch mehr von diesen Typen waren ihm allerdings in seiner alten Heimat im Mittleren Westen aufgefallen, als er seine Mutter besucht hatte.
    »Du hast es erfaßt«, bestätigte Lou.
    »Nicht alle Skinheads tragen Nazi-Embleme«, bemerkte Tyrrell.
    »Das stimmt«, pflichtete Lou ihm bei. »Manche rasieren sich nicht einmal mehr den Kopf. Ihr Stil hat sich durchaus gewandelt.«
    »Die Musik allerdings nicht«, wandte Tyrrell ein. »Die Musik ist an der ganzen Bewegung wahrscheinlich der beständigste Part und mit Sicherheit ein Bestandteil ihres Stils.«
    »Darüber weiß ich absolut gar nichts«, gestand Lou. »Musik war noch nie mein Ding.«
    »Bei den amerikanischen Skinheads spielt Musik eine wichtige Rolle«, erklärte Tyrrell. »Immerhin hat die Musik der Bewegung ihre Haß- und Gewaltideologie geliefert.«
    »Im Ernst?« fragte Lou. »Spielt die Musik wirklich so eine große Rolle?«
    »Ich übertreibe nicht«, beteuerte Tyrrell. »Hier in den Vereinigten Staaten begann die Skinhead-Bewegung anders als in England eher als eine Art Modeerscheinung, vergleichbar etwa mit den Punks, die mit ihrem Aussehen und Benehmen vor allem schockieren und Anstoß erregen wollen. Aber die Musik von Gruppen wie Screwdriver oder Brutal Attack und noch ein paar anderen hat eine Veränderung bewirkt. Die Songtexte haben eine völlig verkorkste Überlebensund Aufruhrphilosophie gefördert. Daher rühren all der Haß und die Gewalt.«
    »Dann sind Sie also eine Art Skinhead-Experte?« fragte Jack beeindruckt.
    »Nur notgedrungen«, erwiderte Tyrrell. »Mein eigentliches Interesse gilt den rechtsextremen terroristischen Gruppen. Aber ich mußte mein Operationsfeld erweitern. Leider hat sich die White Aryan Resistance, der ›Weiße Arische Widerstand, nämlich eine neue Taktik zugelegt: Sie rekrutierten Skinheads als eine Art Terrortruppe und zapfen damit die Quelle von Haß und Gewalt an, die ursprünglich von der Musik gespeist wurde. Inzwischen haben etliche neofaschistische
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