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Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Wohnung, und sie wohnte nur vorübergehend darin. Das klang im ersten Moment glaubwürdig. Aber auf die zweite Frage zu antworten, fiel ihr schwerer: Warum hatte sie, als sie sich vor dem Brand in Sicherheit brachte, außer Geld nur einen Lippenstift mitgenommen? Keinen Paß, auch nicht ihre Handtasche, in der eine Menge notwendiger Sachen waren, sondern nur einen Lippenstift. Swetlana redete sich notdürftig heraus, aber nicht zufällig hatte der Masseur Kotik Nastja seinerzeit mit einem Foxterrier verglichen – lustig, freundlich, aber mit stahlhartem Biß. Gegen die Kamenskaja hatte Swetlana keine Chance, und schon nach wenigen Minuten stellte sich heraus, daß nicht Wlad mangels Schlafplatz zu Swetlana zum Übernachten gebracht worden war, sondern sie zu Wlad. Sie war nur für einige Stunden da hingefahren, weshalb sie nicht viel mitgenommen hatte, nur Geld (aus Gewohnheit) und den Lippenstift (damit sie sich wieder schminken konnte, falls sie sich küssen mußten). Bei ihrer naiven Antwort machte Swetlana so viele Fehler und Versprecher, daß Nastja sie fast augenblicklich überführte.
    Sie öffnete die Tür und rief den Typen, der im Korridor auf und ab ging.
    »Sagen Sie Anatolij Wladimirowitsch, daß ich mit dem Mädchen fertig bin. Ich brauche den anderen.«
    * * *
    Wlad saß im Auto, zusammen mit dem sympathischen Fahrer, der die Pause nützte, um hingebungsvoll irgendeinen Unfug zu lesen. Wlad hatte es sich auf dem Rücksitz bequem gemacht. Mit der Standheizung war es warm und gemütlich, und da er klein war, konnte er sich ausbreiten wie auf einer komfortablen Couch. Er machte sich Sorgen, Sorgen um sich und Swetlana. Vielleicht war es doch nicht gefährlich, daß man sie ins Schwimmbad gebracht hatte, diese Fahrt würde überhaupt nicht die Geschichte beeinflussen, die sie Starkow erzählt hatten. Aber andererseits hatte man ihnen früher aufs Wort geglaubt, und jetzt hatte man sie aus irgendeinem Grund ins Schwimmbad gebracht. Das konnte ein schlechtes Omen sein, ein sehr schlechtes. Entweder waren sie vom Regen in die Traufe geraten, das heißt zu den Leuten, vor denen sie flüchten wollten. Nicht umsonst war es dasselbe Schwimmbad und es war auch wieder Abend. Oder die, die sie versteckt hatten, hatten etwas erfahren und glaubten deshalb nicht mehr an ihre Geschichte. Wahrscheinlich hätte man es riskieren sollen und von dem Film erzählen, dachte Wlad müde. Mein Leben ist sowieso zu nichts gut, so wie ich an der Nadel hänge, verrecke ich ohnehin bald – wenn nicht in einem Jahr, dann eben in zwei. Sollen sie mich doch gleich umbringen, ist mir auch egal. Und Swetlana? Sie will vermutlich leben. Ihr Leben ist auch für nichts gut, aber sie versteht das nicht, sie flattert herum und sucht einen goldenen Futtertrog. Dann hat sie sich mit diesen Filmtypen eingelassen, die Ziege. Durch sechs Minuten Sex mit einem Liliputaner wollte sie reich werden, und das ist dabei herausgekommen. Nein, man darf es nicht riskieren. Sweta tut ihm leid, sie verläßt sich doch auf ihn, sie sieht in ihm ihren Beschützer. Komisch ist sie, dachte Wlad lächelnd, sie ist es gewöhnt, daß Sex eine Währung ist wie Wodka oder Dollars, sie versucht ständig, ihm dafür zu danken, daß er das mit dem Film rechtzeitig durchschaut hat, und sie wird nie verstehen, warum er nichts von ihr will. Aber für ihn ist Sweta keine Frau und schon gar keine Hure, sondern die kleine Schwester, die voller Dummheiten steckt und sich krampfhaft an den älteren Bruder klammert: Er ist klug, erwachsen, er hilft mir, gegen Mama und Papa hält er zu mir und er schützt mich vor Feinden. Eine wirkliche Schwester hat Wlad nie gehabt, leider. Und wenn er auch Sweta kaum bis zur Brust reicht, so ist er doch ihr älterer Bruder, Ratgeber und Lehrer, ohne den sie einfach untergehen muß. Wie kann er denn bei dieser Beziehung zu ihr ihren Dank annehmen? Nein, um nichts in der Welt würde Wlad diese Familienidylle zerstören, die er sich ausgedacht hat. . .
    Ein Gesicht tauchte am Autofenster auf. Wlad drehte den Kopf und hätte beinahe vor Entsetzen aufgeschrien: die dunklen, auf dem ausgemergelten Gesicht schwarz wirkenden Augen eines Verrückten blickten ihn an. Die Augen durchforschten das Wageninnere, und ohne den in einer Ecke zusammengekauerten Wlad zu bemerken, blieben sie am Fahrer hängen, der sich in seinen Thriller vertieft hatte, und dann verschwanden sie wieder. Wlad, der sich bemühte, ruhig zu bleiben, blickte dem sich vom Auto

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