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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
Autoren: Elizabeth Peters
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Seite befanden sich drei Fenster, alle offen oder angelehnt. Keins davon gehörte zu dem Gefängnis seines Vaters; nach Nefrets Schilderung war es auf der anderen Seite der Isis. Das Deck war leer; das Täuschungsmanöver hatte die Crew auf die andere Seite gelockt. Er hörte ihr Gejohle und die Hilferufe seiner Begleiter. Unvermittelt vernahm er eine bekannte Stimme, die Befehle erteilte, worauf er sich über die Reling zog. David war dicht hinter ihm. Er musste den Instinkt unterdrücken, seiner Mutter zu Hilfe zu eilen, und kletterte stattdessen durch das nächstgelegene Fenster. Sie hatten das Feuer noch nicht eröffnet. Ein schwacher Trost, gleichwohl musste er sich an den Plan halten. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, ihrerseits eine Geisel zu nehmen.
    Die Kabine war die einer Frau. Damenkleidung lag überall im Raum verstreut, der Hut, den seine Mutter Maryam gegeben hatte, hing an einem Haken neben der Tür. Unversehens huschte er dorthin und lauschte, ehe er die Tür behutsam öffnete. Sogleich drang die gefürchtete Geräuschkulisse an sein Ohr, Gewehrfeuer, und er ließ jede Vorsicht fallen und schlich sich durch den Gang zu dem Salon, dicht gefolgt von David.
    Alle drei Frauen waren dort – die Alte, Justin und Maryam. Und der Doktor. Ramses überließ ihn David, hörte ein Schnauben und einen Knall, und packte Justin am Kragen. »Sag ihnen, sie sollen das Feuer einstellen«, blaffte er. »Maryam, erklär ihnen, dass ich sie töten werde, wenn sie nicht kapitulieren.«
    Ohne ein Wort oder einen Blick rannte Maryam hinaus. Kurz darauf endete der Schusswechsel. Ramses lockerte seinen Griff. Sie verharrte seelenruhig in seiner Umklammerung; ihre Haut weich und zart, ihre blauen Augen anklagend auf ihn geheftet.
    »Du würdest mir doch nichts tun, oder? Deiner hübschen kleinen Hathor?«
    »Du hast verloren«, versetzte Ramses. »Es ist vorbei.«
    Sie lachte ihn mit ihren ebenmäßigen, weißen Zähnen an. David stand neben der alten Frau, die sich nicht von ihrem Sessel bewegte. Verächtlich maß sie das Messer, das David ihr an die Kehle hielt.
    »Tu das weg, Junge. Keiner von euch würde eine Frau verletzen – immerhin halten wir in diesem kleinen Spiel den Trumpf. Wenn ihr den Professor lebend zurückbekommen wollt, werdet ihr unsere Regeln befolgen müssen. Sobald wir unsere Beute sichergestellt haben, bringen wir euch wohlbehalten an Land.«
    »Sie lügen«, widersprach Ramses. »Geben Sie mir die Schlüssel zu seiner Kajüte.«
    »Sie sind dort in dem Schreibtisch.«
    Er strebte zu dem Sekretär, und Justin lachte wieder. »Die nutzen dir gar nichts. Der Professor ist nicht allein, François ist bei ihm, und sollte jemand die Tür ohne das vereinbarte Signal öffnen, schlitzt er deinem Vater die Kehle auf. Er kann sich nicht selber verteidigen«, fügte sie strahlend hinzu, »er ist nämlich an Händen und Füßen angekettet.«
    Ramses schwirrte der Kopf. Der Lärm an Deck war zwar abgeebbt, aber Maryam nicht zurückgekehrt, und seine Mutter könnte … In seiner Konfliktsituation war er fast so weit, David zu bitten, nach dem Rechten zu sehen, als die Vorhänge beiseite geschoben wurden und seine Mutter den Kopf hereinsteckte. Sie hatte ihren Turban eingebüßt, ihr Haar hing strähnig um ihre Schultern, und sie hatte Blut im Gesicht – aber die Augenklappe saß weiterhin wie angegossen.
    »Ah, da bist du ja«, sagte sie, mit ihrer Pistole herumfuchtelnd. »Schätze, alles ist unter Kontrolle.«
    »Na ja, nicht ganz.« Ramses japste nach Luft. »Mutter, bist du … und Sethos und Bertie …«
    »Beide verletzt, aber nichts Ernstes. Sie haben die Crew überwältigt.« Geschmeidig schwang sich seine Mutter über das Fensterbrett. »Das ist nicht mein Blut«, klärte sie ihn auf. »Mein lieber Junge, du bist weiß wie eine Wand. Du hast dir doch um mich keine Sorgen gemacht, oder?«
    »Sorgen? Um dich?« Wieder blieb ihm die Luft weg.
    »Gott sei Dank«, entfuhr es David. »Aber der Professor ist …«
    Schwere Schritte im Gang unterbrachen ihn. Emerson preschte durch die Tür. »Ich hab Schüsse gehört. Wo … verflucht, Peabody, ich hätt’s mir denken können! Wieso trägst du diese dämliche Augenklappe?«
    Sie ließ die Pistole sinken, und Ramses, schwindlig vor Erleichterung, beobachtete seine Eltern, die sich wie zwei Überlebende einer mittleren Katastrophe in die Arme fielen. Ihre zusammenhanglosen Bemerkungen waren wieder einmal typisch.
    »Wie konntest du mir das antun, Peabody?
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