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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens
Autoren: Charlotte Link
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hatte nicht einen Hauch von Farbe auf seine Wangen gebracht.

    »Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe«, sagte er. »Ich fürchte, ich habe wieder geschrien oder geredet.«
    »Ich weiß es nicht. Ich bin eben erst aufgewacht. Es spielt auch keine Rolle.« Sie setzte sich auf den Rand der Badewanne und zog ihn sanft neben sich.
    »Willst du mir nicht doch mal erzählen, wovon du träumst? Was es ist, was dich so sehr belastet?«
    Er schüttelte den Kopf. »Es würde nichts ändern. Es ist alles so lange her.«
    »Es ändert schon etwas, wenn man über die Dinge redet. Vielleicht hast du diese Probleme ja genau deshalb, weil du alles viel zu sehr in dir verschließt.«
    Er schüttelte erneut den Kopf, rieb sich die Augen, die von Müdigkeit gerötet waren. »Nein. Es gibt Dinge ..., an die rührt man besser nie wieder. Man läßt sie ruhen, wo sie sind - in der Vergangenheit.«
    Jessica seufzte. »Aber sie ruhen nicht. Das ist doch die Schwierigkeit. Sie toben in dir herum. Sie quälen dich. Sie lassen sich nicht verdrängen.«
    Er schüttelte nur wieder den Kopf und vergrub dann das Gesicht in den Händen, und sie wußte, daß dieses Gespräch so ergebnislos verlaufen würde wie alle anderen, die sie zuvor geführt hatten. Es hatte etliche Nächte wie diese gegeben, in denen sie daheim im Bad gesessen hatten, manchmal auch in der Küche oder aufrecht nebeneinander im Bett. Alexander war schreiend aus einem Traum erwacht und hatte lange gebraucht, sich wieder zu erholen, das Zittern in seinem Körper zu bezwingen. Beim erstenmal - das war wenige Wochen vor ihrer Hochzeit gewesen - hatte Jessica an einen Alptraum gedacht, wie ihn viele Menschen von Zeit zu Zeit erleben. Allerdings war sie schon damals erschrocken gewesen über die Heftigkeit und über den Umstand, daß Alexander so lange brauchte, sich wieder zu erholen. Sie hatte ihn natürlich gefragt, was ihn so verfolgt habe, doch er hatte behauptet, sich nicht genau zu erinnern.

    »Ich weiß nicht. Irgend etwas verfolgte mich ... es ist verschwommen. «
    Doch dann war es wieder und wieder passiert, und irgendwann war ihr klargeworden, daß es tiefere Gründe geben mußte. Doch sosehr sie sich mühte, sie konnte ihm nicht die kleinste Andeutung, nicht den leisesten Hinweis entlocken. Oft sagte er, er wisse es selber nicht genau. Dann wieder meinte er, er wolle einfach nicht daran rühren.
    »Wenn du mit mir nicht darüber sprechen willst«, hatte sie einmal gesagt, »dann solltest du dich jemand anderem anvertrauen. Was ist mit deinen Freunden? Leon und Tim?«
    Er war fast ärgerlich geworden. »Unsinn. Das sind nicht die Dinge, über die Männer miteinander sprechen! Ich erzähle dir meine Alpträume, du erzählst mir deine ... nein. Auf keinen Fall.«
    »Und wenn du mal mit einem Psychologen redest?«
    Er hatte ihr einen Blick zugeworfen, der ihr sagte, daß sie ihre Zeit verschwendete, wenn sie diesen Gedanken auch nur einen Moment weiterverfolgte.
    Jetzt hob er den Kopf, sah sie an. Wenigstens in seine Lippen kehrte ein wenig Farbe zurück. »Geh ins Bett«, sagte er, »ich brauche noch einen Moment, dann komme ich auch.«
    »Aber ...«
    »Bitte. Du weißt ...«
    Sie wußte. Sie wußte, daß er in diesen Momenten allein sein wollte, daß er ihre Fürsorge als lästig empfand. Gerade er, der sonst ihre Nähe suchte, der immer wieder betonte, wie sehr er sie brauchte, wie wichtig sie für ihn und sein Leben war, der immer eine Berührung mit ihr wollte - er klammerte sie aus diesem Teil seines Lebens beharrlich aus.
    Sie stand auf, strich ihm über die wirren Haare, die feucht von Schweiß waren, und ging ins Schlafzimmer zurück. Durch das Fenster drang die noch sehr kühle Nachtluft herein, und fröstelnd kroch sie tief unter ihre Decke. Sie lauschte zum Bad hinüber, vernahm jedoch keinen Laut. Er saß jetzt dort und wartete
darauf, daß sich etwas in ihm beruhigte, das nur er kannte. Dann würde er ins Bett kommen und sich bis zum Morgen hin und her wälzen, und den ganzen nächsten Tag wäre er grau im Gesicht und müde, aber von Stunde zu Stunde erleichterter - jemand, der wußte, daß er etwas hinter sich gebracht hatte, was sich nun für eine Weile wieder aus seinem Leben heraushalten würde.
    Jessica drehte sich auf die Seite. Obwohl sie geglaubt hatte, hellwach zu sein, schlief sie ein, noch ehe Alexander wieder zu ihr zurückgekehrt war.
    5
    Sie hieß Geraldine Roselaugh, ein Name, den sie selbst als dramatisch empfand; doch sie schaffte es, ihn
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