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Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur

Titel: Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur
Autoren: Robert Misik
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formulieren: Sie hat offenkundig
     ihren Preis.

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    |181| Schluss
    »Was soll ich tun?«
     
    Warum der Kulturkapitalismus die Welt nicht unbedingt besser macht.
     
    Macht der Kulturkapitalismus die Welt besser oder schlechter? Mit Recht erwarten die Leser nach einer ausgiebigen Tour d’Horizon
     durch eine mehr und mehr durch Stil, Image und sanfte kulturelle Erfolgsfaktoren geprägte Welt eine handliche Antwort, auch
     wenn es eine einfache Antwort auf schwierige Fragen wäre. Zunächst: Der Konsumkapitalismus verändert die Welt, und die erste
     Notwendigkeit besteht darin, diese Veränderung zu verstehen. Schließlich neigt der Alltagsverstand ebenso wie das avancierte
     sozialkritische Räsonieren dazu, die Konsumkultur chronisch zu unterschätzen. Das ist in die kritisch-theoretische Begrifflichkeit
     selbst eingeschrieben. Unsere Vorstellungswelten sind davon beherrscht, dass wir die materielle Produktion für das Entscheidende
     halten. Mit der Produktion machen wir die Welt und verändern wir die Welt. Wenn wir uns Gedanken über formende Bearbeitung
     unserer Welt machen, dann stellen wir uns instinktiv materielle Bearbeitung vor; auch wenn wir über die Selbstveränderung
     nachdenken, über die Arbeit der Menschen »an sich selbst«, dann schwebt uns meist deren Vollzug in der Produktion vor – als
     Entwicklung von Talenten und Fertigkeiten in einer materiellen Weltbearbeitung, die eben immer auch Selbstbearbeitung ist;
     und wenn wir von Reichtümern reden, dann gehen wir meist ohne viele Worte zu verlieren vom Reichtum an materiellen Gütern |182| aus. Obwohl sowohl Produktion wie Konsumtion »Aus einandersetzungen des bewussten Lebens mit der Außenwelt« darstellen, formuliert der deutsche Kulturtheoretiker Peter Koslowski, sei diese
     »Dialektik des Bewusstseins von der Philosophie bisher meist nur für das Produzieren in den Blick genommen worden« 167 . In der Geschichte der Sozialtheorie ist in diesem Zusammenhang auch gerne vom »Produktionsparadigma« die Rede. Die kulturelle
     Dimension der Güter – Stil, Reklame gar oder Werbung – erachten wir deshalb eher als eine Beigabe, eine Nebensache, bestenfalls
     als unwesentlich, wenn nicht gar als überflüssig. »Die Werbung stellt en bloc eine überflüssige und unwesentliche Welt dar«,
     schrieb Jean Baudrillard schon vor knapp vierzig Jahren. »Weder in der Produktion noch in der Verwendung der Gegenstände hat
     sie eine Leistung zu erbringen, und trotzdem fügt sie sich auf vollkommene Weise in das System der Gegenstände ein.« 168 Obwohl sie für die »Funktion« der Gegenstände völlig nutzlos ist, ist sie doch in höchstem Maße »funktionell«, erkannte Baudrillard.
     Doch die bisherige Kritik an Warenfetischismus und Kommerzkultur ist von einer spezifischen Geringschätzung der kulturellen
     Seite der Dinge, die in Wahrheit eine Unterschätzung ist, eingefärbt – mittels der bedeutungslosen kulturellen Sahnehäubchen
     würden Konsumenten zum Konsum von Gütern verführt, ohne dass sie sich immer über den »wirklichen Nutzen« dieser Güter Gedanken
     machten, lautete die kulturkritische Argumentationsreihe meist in etwa. Auf welch unsicherem Boden diese Kritik stand, fiel
     meist nicht auf, obwohl folgende Frage doch naheliegend gewesen wäre: Wenn Stil und Image derartig bedeutungslose Accessoires
     und für die Produktion von Welt tatsächlich so nebensächlich wären, warum sollte es dann wichtig sein, sie zu kritisieren?
     Doch nur, weil der Konsum von Stil und |183| Kultur auch eine ebenso wichtige Bedeutung für die Bearbeitung und Veränderung der äußeren Lebenswelt wie für die Selbstbearbeitung
     der Innenwelt der Subjekte hat, wenn, pointiert formuliert, auch dieses Konsumieren eine »Produktionsform« ist. Zunächst geht
     es also darum, das überhaupt zu begreifen, dem »Produktionsparadigma« eine Art »Konsumtionsparadigma« gleichberechtigt zur
     Seite zu stellen und im Anschluss daran die Frage aufzuwerfen, welche Auswirkungen die Über- und Umformung von Gütermärkten
     zu Kulturmärkten auf unsere Gesellschaften hat. Dieses Neue zu sehen und zu beschreiben, dies ist das primäre Ziel dieses
     Buches.
    Dennoch ist es freilich nicht abwegig, um die Eingangsfrage zu wiederholen, sich darüber Gedanken zu machen, ob der Kulturkapitalismus
     die Welt besser oder schlechter macht. Ich glaube, ohne dass ich mich um eine Antwort drücken möchte, dass sich das nicht
     so leicht beantworten lässt (und
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