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Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Titel: Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
Autoren: Roberto Zapperi
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ist Satans Macht, nicht die eines Papstes. Wer gewählt hat, der Stellvertreter Christi zu sein, muß sich so gut wie eben möglich dessen Vorbild anpassen.»

    Abb. 1: Raffael, Bildnis Julius’ II., London, National Gallery
    Erasmus hatte keine Gelegenheit, Raffaels berühmtes Porträt von Julius II. in S. Maria del Popolo, der bevorzugten Kirche des Papstes, zu sehen (es entstand erst 1512), wo es nach dessen Willen an allen Feiertagen ausgestellt wurde (Abb. 1). Er hätte in diesem Bild das Idealporträt des wahren Papstes erkennen können, so wie er es im Dialog Julius exclusus skizziert hatte: ein milder, melancholischer und ins Gebet versunkener Engelpapst, der wenig mit dem realen Julius II. zu tun hatte, wie er sich einem aufmerksamen Beobachter darstellen musste. Vielleicht sah dieses Porträt aber ein anderer, der Julius II. ebenso kritisch gegenüber stand wie Erasmus: Michelangelo, der im März 1508 den Auftrag des Papstes angenommen hatte, das Deckengewölbe der Sixtinischen Kapelle auszumalen, eine Arbeit, die er im September 1512 abschloss. Wenige Monate zuvor, kurz nach der Schlacht von Ravenna (11. April 1512), in der das spanisch-päpstliche Heer eine vernichtende Niederlage erlitt, schrieb der Künstler ein Sonett, das die Lage auf den Punkt brachte:
    Aus Helmen läßt man Helm und Schwert hier schweißen,
    Und Christ’ s Blut ist’ was die Kassen füllt.
    Aus Kreuz und Dornen werden Speer und Schild,
    Selbst Christus würde die Geduld hier reißen,
    Weil hier Blut mehr als die Sterne gilt
    Und Haut und Haar nicht Romas Habgier stillt.
    Hier trifft er nicht das Heil, das er verheißen.
    Doch herzukommen sollt’ er sich verbeißen.
    Ein trostloser Kommentar zur Lage der heiligen Stadt, die der kriegerische Papst in einen Exerzierplatz verwandelt hatte, um ohne Rücksicht auf Kosten den Gegenschlag gegen die siegreichen Franzosen vorzubereiten. In seiner Storia d’Italia fällt der politische Denker und Geschichtsschreiber Francesco Guicciardini (1483–1540) ein ähnliches Urteil. Er beschreibt Julius II. als einen alten, kühnen Kämpfer, der persönlich seine Truppen kommandiert und sich als Heerführer allen Anstrengungen und Gefahren des Kriegs unterzieht: «Er hat von einem Papst nur das Kleid und den Namen», ist sein knapper Kommentar. Er bezieht sich dabei auf eine Episode, die zu den bezeichnendsten im Leben dieses Kriegerpapstes zählt, die Belagerung von Mirandola, bei der er als erster am 19. Januar 1511 den Fuß in den Ort setzte, nachdem er sich mithilfe einer Leiter über die Mauern hatte heben lassen. Doch zurück zu Michelangelos Sonett, das Erasmus sicher nicht missfallen hätte. Es endet mit dem sarkastischen Gruß: «Euer Michelangelo in der Türkei», wobei die Türkei für Rom steht.
    Erasmus war sich der Heftigkeit seiner Attacke auf den Papst bewusst. Er zögerte tatsächlich lange, bevor er sich entschloss, den Dialog zu veröffentlichen, und als er es dann tat, veröffentlichte er ihn anonym und stritt seine Autorschaft immer entschieden ab. Diese hartnäckige Leugnung hat bei einigen Forschern Zweifel über seine Autorschaft genährt, doch ist diese in der Forschung inzwischen mit überzeugenden Argumenten bestätigt worden. In seiner zweiten Schrift gegen Julius II., Sileni Alcibiadis, wandte Erasmus eine andere Taktik an. Er publizierte sie als Teil der Adagia, ohne seine Verfasserschaft zu leugnen, nennt jedoch nie den Namen des Papstes, gegen den sie gerichtet war. Diese Vorsichtsmaßnahme war sehr erfolgreich, denn sie verlieh der Schrift einen mehr theoretischen Charakter, der dem anonym veröffentlichten Dialog mit dem Namen des Papstes im Titel größtenteils fehlt. Die Anklagepunkte gegen Julius II. sind auch hier die gleichen, aber die Schrift enthält einen neuen, ja überraschenden Aspekt, eine völlig neue, radikale Kritik an der Institution des Kirchenstaats, die kühn schon Überlegungen späterer Zeiten vorwegnimmt. Erasmus legt den Finger hier auf einen fundamentalen Widerspruch, der diesem staatlichen Gebilde innewohnt. Wie ist es möglich, fragt er sich, dass die Kirche Christi ein Staat ist, und seine Antwort lautet: «Christus sagte ausdrücklich, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei; scheint es dir ziemlich, dass der Nachfolger Christi einen weltlichen Staat akzeptiert, ja nicht nur akzeptiert, sondern ihm hinterherläuft und seinetwillen Himmel und Erde in Verwirrung bringt?» Der Widerspruch zwischen der spirituellen,
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