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Alaska-Kid - V3

Titel: Alaska-Kid - V3
Autoren: Jack London
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nächstes Bündel wog bereits fünfundsechzig Pfund. Es fiel ihm schon bedeutend schwerer, und er spazierte nicht mehr so flott daher. Er tat wie alle anderen, die ihr Gepäck trugen, und setzte sich hin und wieder auf den Boden, um sein Bündel gegen einen großen Stein oder einen Baumstumpf zu stützen. Als er das dritte Bündel nehmen sollte, war er schon ganz übermütig geworden. Er legte die Traggurte um einen Bohnensack von fünfundneunzig Pfund und marschierte los damit. Er war kaum hundert Schritt weit gekommen, als er schon fühlte, daß er am Zusammenbrechen war. Er setzte sich deshalb und wischte sich den Schweiß vom Gesicht.
    »Kurzes Schleppen und kurze Pausen«, murmelte er vor sich hin. »Darin besteht der ganze Dreh.«
    Zuweilen gelang es ihm kaum, hundert Schritt zu laufen, und jedesmal, wenn er mit unendlicher Mühe wieder auf die Füße gekommen war, um ein kleines Stück weiter zu schleppen, war das Bündel unleugbar schwerer geworden. Er schnappte nach Luft, und der Schweiß rann ihm in Strömen über den ganzen Körper. Er hatte noch keine Viertelmeile zurückgelegt, als er sich schon die wollene Jacke auszog und sie an einen Baum hängte. Bald darauf trennte er sich von seinem Hut. Als er die halbe Meile hinter sich hatte, war er sich darüber klar, daß er erledigt war.
    Noch nie in seinem Leben hatte er in dieser Weise geschuftet, und er verschwieg sich durchaus nicht, daß er überhaupt nicht weiterkonnte. Wie er keuchend dasaß, fiel sein Blick zufällig auf den großen Revolver und den schweren Patronengürtel.
    »Zehn Pfund überflüssigen Krams«, knurrte er und schnallte ihn ab.
    Er gab sich nicht einmal die Mühe, die Sachen an einen Baum zu hängen, sondern schleuderte sie ins Gebüsch. Und als er die Gepäckträger beobachtete, die in einem stetigen Strom auf ihrem Wege hin und zurück an ihm vorüberglitten, stellte er fest, daß die andern Grünschnäbel ebenfalls begannen, ihre Schießeisen wegzuwerfen.
    Seine kurzen Wege wurden indessen immer noch kürzer. Zuweilen konnte er nicht mehr als hundert Fuß bewältigen - dann zwangen ihn das verhängnisvolle Herzklopfen, das er schmerzhaft in den Ohren vernahm, und die widerliche Schwäche in seinen Knien zu einer neuen Ruhepause. Und diese Pausen wurden länger und länger. Seine Gedanken arbeiteten indessen unermüdlich weiter. Es handelte sich alles in allem um einen Transport von achtundzwanzig Meilen, was also eine Arbeit von ebenso vielen Tagen bedeutete. Dazu kam, daß dieser Abschnitt - nach dem, was alle sagten - unbedingt der leichteste des ganzen Weges war.
    »Warten Sie nur, bis Sie zum Chilcoot kommen«, erzählten einige, die neben ihm saßen und sich mit ihm unterhielten, »dort werden Sie auf allen vieren kriechen müssen.«
    »Es wird überhaupt keinen Chilcoot geben«, lautete seine Antwort. »Jedenfalls nicht für mich. Ehe wir soweit sind, werde ich längst in aller Ruhe in meinem kleinen Bett unter dem Rasen liegen.«
    Ein Straucheln - und die ungeheure Anstrengung, die er machen mußte, um wieder auf die Beine zu kommen, erfüllten ihn mit Angst. Er hatte die Empfindung, als ob sein ganzes Innere in Fetzen zerrissen war.
    »Wenn ich mit diesem Bündel auf dem Buckel stürze, bin ich ein für allemal erledigt«, sagte er zu einem anderen, der auch ein Bündel schleppte.
    »Das ist noch gar nichts«, lautete die Antwort. »Warte nur, bis du zum Cañon kommst. Da wirst du einen reißenden Strom auf einem sechzig Fuß langen Fichtenstamm überqueren müssen. Da gibt's kein Geländer, gar nichts, und in der Mitte, wo der Stamm sich biegt, reicht dir das Wasser bis zu den Knien. Wenn du mit deinem Bündel auf dem Buckel da 'runterfällst, kommst du nicht mehr aus den Traggurten heraus. Du bleibst drin und versäufst.«
    »Schöne Aussichten«, erwiderte er. Und aus dem Abgrund einer völligen Erschöpfung heraus meinte er es beinahe buchstäblich.
    »Da versaufen täglich drei oder vier Mann«, versicherte der andere. »Neulich war ich selbst mit dabei. Wir fischten einen Schweden heraus. Er hatte viertausend Dollar in schönen Scheinen bei sich.«
    »Wirklich sehr ermutigend«, meinte Kid, während er sich mühsam aufraffte und weiterwankte.
    Er und sein Bohnensack wurden allmählich zu einer wandernden Tragödie. Unwillkürlich erinnerte er sich des Märchens von dem alten Mann auf dem Rücken Sindbad des Seefahrers. - Das ist also so ein besonders männliches Ferienvergnügen, dachte er. Im Vergleich mit dieser
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