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Alaska-Kid - V3

Titel: Alaska-Kid - V3
Autoren: Jack London
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Schreibtisches und griff mit unsicher suchenden Händen nach dem Kleistertopf. »Spät nach Haus gekommen?« fragte O'Hara.
    Kid rieb sich die Augen und starrte ihn ängstlich an, ehe er antwortete.
    »Nee, das ist es leider nicht... es ist etwas mit den Augen... sie sind, scheint's, nicht mehr so gut wie früher. Das ist alles.«
    Mehrere Tage stolperte er herum und stieß gegen die gesamte Einrichtung im Büro. Aber O'Haras Herz ließ sich nicht erweichen.
    »Ich will dir mal was sagen, Kid«, meinte er eines Tages. »Du mußt sehen, daß du zu einem Augenarzt kommst. Geh zu Dr. Hassdapple - das ist ein verdammt tüchtiger Bursche. Und es braucht dich nichts zu kosten - wir werden ihm ein paar Inserate dafür geben. Ich werde selbst mit ihm sprechen.«
    Und seinem Versprechen getreu, schickte er Kid zu dem Doktor.
    »Ihre Augen sind ja ganz in Ordnung«, lautete das Urteil des Arztes, nachdem er ihn eingehend untersucht hatte. »Ihre Augen sind tatsächlich ganz hervorragend... nicht ein Paar unter einer Million sind so wie die Ihrigen.«
    »Bitte, erzählen Sie das nicht O'Hara«, bat Kid. »Und verschreiben Sie mir eine Brille.«
    Die Folge war nur, daß O'Hara sehr liebenswürdig wurde und mit glühender Begeisterung von dem Tage sprach, an dem die Woge imstande sein würde, auf eigenen Beinen zu stehen.
    Glücklicherweise besaß Kid Bellew eigenes Vermögen. Wenn es auch nur klein war - im Vergleich mit vielen andern -, so war es doch jedenfalls groß genug, um ihm zu ermöglichen, Mitglied verschiedener Klubs zu sein und sich ein eigenes Atelier im Künstlerviertel zu leisten. Seit er Mitredakteur der Woge geworden war, hatten sich seine Ausgaben zweifellos bedeutend verringert. Er hatte nämlich einfach keine Zeit mehr, Geld auszugeben. Er besuchte nie mehr sein Atelier und lud nie mehr die Künstler des Viertels zu seinen berühmten und sehr lustigen Abendessen ein. Und dennoch war er jetzt völlig auf den Hund gekommen, denn die Woge , die immer am Rand der Pleite stand, zog nicht nur Vorteil aus seinem Gehirn, sondern auch aus seiner Brieftasche. Da waren die Zeichner, die in bösartiger Stimmung ablehnten, weiterzuzeichnen, die Buchdrucker, die es ebenfalls hin und wieder ablehnten zu drucken, und endlich der Bürojunge, der sehr häufig erklärte, die Arbeit niederlegen zu wollen. Bei all diesen Gelegenheiten verließ sich O'Hara auf Kid, und Kid tat, was von ihm erwartet wurde.
    Als der Dampfer »Exzelsior« aus Alaska kam und die ersten Nachrichten von den Goldfunden in Klondike brachte, die das ganze Land verrückt machten, unterbreitete Kid O'Hara einen durchaus nicht ernst gemeinten Vorschlag.
    »Sieh mal, O'Hara«, sagte er. »Jetzt wird es ganz toll werden mit der Jagd nach dem Golde - genau wie in der guten alten Zeit von 49. Was meinst du dazu, wenn ich für die Woge mitmache? Ich würde es natürlich auf eigene Kosten tun.«
    O'Hara schüttelte den Kopf.
    »Unmöglich... ich kann dich nicht in der Schriftleitung entbehren, Kid. Wir brauchen ja auch die Erzählung. Außerdem habe ich vor kaum einer Stunde Jackson gesehen. Er fährt morgen nach Klondike und hat sich bereit erklärt, uns jede Woche Briefe und Fotos zu senden. Ich ließ nicht locker, bis er es mir fest versprochen hatte. Und das beste ist, daß es uns nicht einen Heller kostet.«
    Als Kid am selben Nachmittag in den Klub kam, hörte er wieder Neuigkeiten aus Klondike. In der Bibliothek traf er seinen Onkel.
    »Tag, lieber Onkel«, grüßte Kid, ließ sich in einen Ledersessel fallen und streckte die Beine aus. »Trinkst du ein Glas mit?«
    Er bestellte sich einen Cocktail, während der Onkel sich mit dem dünnen einheimischen Landwein begnügte, den er stets trank.
    Er betrachtete mit erbosten und mißbilligenden Blicken erst den Cocktail und dann das Gesicht des Neffen. Kid merkte, daß sich ein Gewitter vorbereitete.
    »Ich habe leider nur wenige Minuten Zeit«, sagte er schnell. »Ich muß noch etwas besorgen und mir auch die Keith-Ausstellung bei Ellery angucken und eine halbe Spalte darüber schreiben.«
    »Was ist eigentlich mit dir los?« fragte der andere. »Du bist ja ganz blaß. Das reine Wrack.«
    Kid antwortete nur mit einem Seufzer.
    »Ich werde noch das Vergnügen haben, dich zu begraben, sehe ich schon.«
    Kid schüttelte traurig den Kopf. »Ich will nichts mit den Würmern zu tun haben. Für mich Verbrennung!«
    John Bellew gehörte zu der eisernen, abgehärteten Generation, die in den Fünfzigern mit ihrem
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