Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern

African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern

Titel: African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern
Autoren: Harriet Bruce-Annan
Vom Netzwerk:
denn meine Mutter ist eine unglaublich intelligente Frau. Selbst als Analphabetin wurde sie zu einer der wichtigsten Makola-Frauen und ich frage mich, was aus ihr geworden wäre, hätte sie die Schule besuchen dürfen. Die leiblichen Kinder der Tante gingen alle zur Schule, sollten aber später nicht annähernd so erfolgreich sein wie die »arme Cousine«.
    Solange sie konnte, unterstützte meine Mutter diese Verwandten finanziell und gab so zurück, was die Tante an ihr Gutes vollbracht hatte. Denn wenn sie auch nicht die Schule besuchen durfte, so war meiner Mutter mit dem Umzug zu denreichen Verwandten doch der Sprung aus der Armut in die Mittelklasse Accras gelungen. Wäre meine Mutter in Bukom geblieben, hätte mein Vater sie niemals geheiratet – wahrscheinlich wären sie sich nicht einmal begegnet.
    Meine Oma dagegen wohnte nach wie vor in diesem Armenviertel, und da sie sich rührend um mich, das kranke »Püppchen«, kümmerte, habe ich dort viel Zeit verbracht.
    Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich in Omas Zimmer saß und aus dem Fenster sah. Fassungslos, dass die Kinder dort draußen auf der blanken Erde schlafen mussten. Dass sie nur Fetzen auf dem Leib trugen und kaum etwas zu essen bekamen.
    Einen direkten Kontakt zu diesen Bukom-Kindern hatte ich außerhalb des engen Bereichs, in dem meine Großmutter wohnte, damals kaum. Ich war krank und Oma hütete mich wie ihren Augapfel. Außerdem gab es genug Cousinen und Cousins, die mit mir spielten und dabei Rücksicht auf die »arme kranke Puppe« nahmen. Sie waren längst nicht so aggressiv wie die Kinder, die ich durchs Fenster beobachtete. Doch sosehr wir uns auch voneinander unterschieden, so obszön und derb ihre Sprache auch war, sie faszinierten mich und ich empfand Mitleid: Wie ungerecht, dass es mir gut ging und ihnen nicht. Dieses Gefühl der Ungerechtigkeit bohrte sich bereits in meiner Kindheit tief in mein Innerstes.
    Immer wenn ich nach Bukom kam, ging meine Oma als Erstes mit mir einkaufen.
    »Komm«, sagte sie und reichte mir einen kleinen Korb, »wir gehen zum Markt! Und dann koch ich dir eine feine Suppe!«
    Den Korb musste ich auf dem Kopf tragen. Wie ich das hasste! Aber bei meiner Oma machte ich es ohne Widerrede. Und so gingen wir gemeinsam auf den Markt, um die Zutaten für das Spezialgericht zu kaufen, das sie immer für mich kochte.
    Leider kann ich mich nicht an die Zutaten erinnern. Bis heute bin ich nicht in der Lage, mir dieses Gericht selbst zu kochen, auch meine Mutter kann das nicht. Und dabei habe ich es so gerne gegessen. Es war irgendein Gemüse sowie ein seltenes grünes Kraut mit vielen kleinen Blättchen. Und Muscheln. Bukom liegt direkt am Meer; Fisch und alle Arten von Meerestieren sind daher reichlich vorhanden.
    Nach dem Einkauf machte sich meine Großmutter direkt ans Kochen. Den Geschmack dieser Suppe habe ich noch heute auf der Zunge, wenn ich an damals denke. Offenbar glaubte meine Oma, dass mich dieses Gericht heilen und mir Kraft verleihen würde, zumindest bereitete sie es immer dann zu, wenn ich zu Besuch kam. Meine Großmutter hatte viele Enkelkinder. Aber auf den Markt nahm sie nur mich mit.
    Einmal, ich war noch ziemlich klein, hatte ich mir den Zorn meiner Oma zugezogen. Sie kochte einmal wieder für alle ihre Enkelkinder. Es gab eine Suppe mit verschiedenen Sorten Fisch, wie wir sie in Ghana mögen. Als Beilage isst man dazu entweder Banku , das ist ein zäher Breikloß aus fermentiertem Maismehl, mit – wenn man es sich leisten kann – ein wenig Maniok darin. Oder es gibt Fufu , einen leckeren Brei aus gestoßenem Maniok und Kochbanane. Die Zubereitung von Fufu braucht Stunden, denn zuerst muss der gegarte Maniok und danach die Kochbanane in einem Holzbottich mit einem enormen Stößel feingestampft und anschließend beides miteinander vermischt werden. Da die Zutaten nicht ganz billig sind, gibt es Fufu nur zu besonderen Gelegenheiten.
    In Ghana essen wir mit der Hand, und zwar mit der rechten. Man formt mit den Fingern aus dem klebrigen Brei jeweils kleine Kugeln und tunkt sie in die Suppe. Meine Besucher von African Angel aus Deutschland machen zuerst immer große Augen, aber für uns ist es überhaupt kein Problem, selbst Suppe mit der Hand zu essen. Natürlich ohne uns zu bekleckern. Wir Afrikaner machen uns einen Spaß daraus, unsere europäischen Gäste dabei zu beobachten, wie sie tapfer versuchen, es uns gleichzutun.
    An jenem Tag also hatte meine Oma – wie immer – ganz
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher