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Abgründe (German Edition)

Abgründe (German Edition)

Titel: Abgründe (German Edition)
Autoren: Nadine d’Arachart
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zu ihm herüber. Für einen Moment überlagerte ein kaum wahrnehmbarer Kirschduft den schweren Essensgeruch. Ethan hatte süße, weibliche Parfums schon immer gemocht und ganz unwillkürlich stiegen Erinnerungen an letzte Nacht in ihm auf. Es kostete ihn einige Mühe, sie zu verscheuchen und endlich aus seiner Erstarrung zu erwachen.
    Er zog seine Dienstmarke und hielt sie Evangeline Stark vors Gesicht, während er erst sich, dann seinen Partner vorstellte. Donovan hob die Hand an seinen imaginären Hut und ließ ein breites Good Cop-Lächeln sehen, aber die zierliche Frau wirkte nicht, als habe sie solch beruhigende Gesten nötig.
    »Wir sind hier, um mit Ihnen über Ava Draper zu sprechen«, fuhr Ethan fort.
    »Was ist mit Ava?«, fragte Evangeline Stark und in ihrer Stimme schwang Besorgnis mit.
    Ethan hoffte, inständig, dass die beiden keine dicken Freundinnen gewesen waren, denn er hasste es, Freunden und Angehörigen von Opfern schlechte Nachrichten zu überbringen. Sein angestrengter Versuch, sachlich zu bleiben führte regelmäßig dazu, dass ihm Gefühlskälte und Rohheit vorgeworfen wurden. Deshalb überließ er das Überbringen von Todesnachrichten lieber seinem rücksichtsvollen, dauerlächelnden Partner.
    »Es tut mir sehr Leid, Misses Stark, aber ich muss Ihnen mitteilen, dass Ihre Kollegin heute Morgen tot aufgefunden wurde. Es sieht alles danach aus, als sei sie ein weiteres Opfer-«
    »Die Resort City-Bestie!«, entfuhr es Evangeline Stark und ihre großen Augen starrten die beiden Cops entsetzt an.
    Ethan ärgerte sich über den reißerischen Namen, den die Presse dem Täter verliehen hatte, obwohl er mittlerweile selbst mehr und mehr dazu neigte, ihn zu benutzen.
    »Das wissen wir noch nicht, Evangeline…«, begann Ethan, doch Donovan vervollständigte seinen Satz.
    »Es sieht jedoch alles danach aus. Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen. Wenn Sie uns vielleicht an einen der Tische folgen möchten?«
     
    Evangeline vergoss während des Verhörs keine Träne und Ethan spürte, wie viel Kraft es sie kostete, ruhig zu bleiben. Sie nestelte an ihrer Schürze herum, während sie den beiden Detectives erklärte, dass Ava gestern gegen elf mit ihr gemeinsam das Lokal verlassen habe.
    »Ich bin zum Bus gegangen und Ava zu ihrem Wagen. Sie ist in Richtung Green Run gefahren. Ich wohne drüben in Salem.«
    Ethan machte sich Notizen, aber Evangelines Anwesenheit lenkte ihn immer wieder ab. Er hätte sie lieber abends in einer Bar kennen gelernt als bei einem Verhör. Im Gegensatz zu den beiden Studentinnen heute morgen schien sein Charme bei ihr allerdings wirkungslos zu sein. Sie erwiderte nicht einmal sein Lächeln. Es machte ihn rasend, dass sie nicht auf ihn einging.
    »Stimmt etwas nicht?« Sie klang, als habe er sie provoziert.
    »Alles in bester Ordnung.« Da er keine weiteren Fragen hatte, hielt er der Köchin seine Karte hin und bat sie, sich zu melden, falls ihr noch etwas einfiele . Er legte eine gewisse Doppeldeutigkeit in seine Stimme, was ein ziemlich verzweifelter Versuch war, und Evangeline zeigte sich dementsprechend unbeeindruckt.
    »Ich glaube nicht, dass mir noch etwas einfällt, Detective.« Sie ließ die Karte in ihrer Hosentasche verschwinden und bat die beiden Polizisten, sie zu entschuldigen.
    Ethan starrte ihren langen Beinen hinterher, bis sie in dem kleinen Korridor verschwunden war, der zur Küche führte. Er sah sich um und wunderte sich über die vielen Gäste, die mittlerweile an den Tischen des Schnellrestaurants saßen. Er war so auf die Köchin fixiert gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie sich der Diner gefüllt hatte.
    »Tz, tz, tz«, machte Donovan und schüttelte grinsend den Kopf. »Denkst du eigentlich auch mal an was anderes? Wir sind im Dienst , mein Freund.« Damit stand er auf.
    »Ich weiß, aber sie ist der Wahnsinn, oder?«
    »Du bist einfach nichts Gutes gewöhnt. Vielleicht suchst du dir mal ein anderes Jagdrevier als die Bars an der Promenade.«
    Auch Ethan stand auf und warf einen bedauernden Blick in den leeren Korridor. Er hatte ja nicht ahnen können, was sich so alles in Virginias Küchen versteckte.
    Auf dem Weg nach draußen sah er in seine spärlichen Notizen, um zum eigentlichen Grund ihres Besuches zurückzukehren. Niemand wusste etwas über Ava Drapers Privatleben, ihre Freunde, ihre Familie, die Clubs, die sie besucht hatte oder ob sie in irgendwelchen zwielichtigen Chatrooms im Internet aktiv gewesen war. Er sah jetzt schon die
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