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Abgründe (German Edition)

Abgründe (German Edition)

Titel: Abgründe (German Edition)
Autoren: Nadine d’Arachart
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ruhige Cypress Avenue und in der Ferne sah man den Ozean. Mittlerweile war der Junge mit seinen Einsachtzig jedoch zu groß für die schmale Fensterbank und benötigte einen Stuhl zur Hilfe, auf dem er seine in teuren Turnschuhen steckenden Füße ablegte.
    »Du bist schon auf?«
    »Ich bin gestern früh schlafen gegangen.«
    Ethan selbst war erst spät nach Hause gekommen. Beim Gedanken an Cara-Mia hatte er das Gefühl, erröten zu müssen und es machte sich schlagartig ein schlechtes Gewissen in ihm breit. Er nahm sich viel zu wenig Zeit für Haley und viel zu viel davon für andere Dinge.
    »Weshalb bist du so früh wach?« Haley blickte auf und sah seinen Vater über den Bildschirmrand an. Er war es gewöhnt, dass sein Vater nach ihm aufstand – dann, wenn er schon fast auf dem Weg zum College war.
    »Gibt es was Neues bei euch? Neuen Stoff für meine Geschichten?« Haley wies auf sein Notebook und ein Grinsen huschte über seine Züge.
    »Hier sterben echte Menschen.« Ethan wandte sich ab und stellte die Kaffeemaschine an. Er konnte förmlich spüren, wie Haley die Augen verdrehte. Was erwartete er? Der Junge war erst zwanzig und hatte es sich zudem in den Kopf gesetzt, Schriftsteller zu werden. Da kam ihm vermutlich jedes spannende Ereignis gelegen.
    »Es wurde eine Leiche gefunden. Wieder eine Frau. Diesmal...« Ethan unterbrach sich selbst und blickte über die Schulter zu Haley. »Du kannst das doch für dich behalten?«
    »Du meinst, ich habe es nicht nötig, auf dem College damit anzugeben?« Haley seufzte. »Nein, ich glaube, das habe ich echt nicht nötig.«
    »Gut.« Ethan berichtete seinem Sohn knapp von den Ereignissen und war froh, dass dieser ihn anschließend nicht mit Fragen bombardierte. Er glaubte, dass sein Sohn die dunklen Seiten des Polizistendaseins gar nicht so genau kennen wollte. Nachdem er vor rund fünf Jahren zu Ethan gezogen war, hatte sich der Junge im sonnigen Virginia Beach, das wegen seiner vielen Hotels und Resorts auch Resort City genannt wurde, bestens eingelebt. Er war ein typischer Jugendlicher, der sich für Sport, Mädchen, Autos und seine Schreiberei interessierte, aber er hatte nicht Ethans Hang zu Recht und Ordnung geerbt. Ethan war es nur recht; wenn sein Sohn kein Cop wurde, dann musste er sich wenigstens keine Sorgen um ihn machen.
    »Dann kommst du heute wieder spät?«
    »Ja, vermutlich schon.« Ethan zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche und holte dreißig Dollar heraus, die er auf den Küchentisch legte. »Unternimm was mit deinen Freunden. Es ist schließlich Freitag.«
    Haley blickte auf das Geld und grinste. »Keine Sorge. Das vergess' ich schon nicht.«

-4-
     
    Die Sonne war gerade erst aufgegangen, doch die Stadt heizte sich schon wieder auf wie ein gigantischer Backofen. Als Ethan den Tatort erreichte, sah er zuerst nur eine Traube aus Reportern, die sich um die abgesperrte Zone drängten und nur mühsam von ein paar uniformierten Officers zurückgehalten werden konnten.
    Donovan entdeckte Ethan als Erster und winkte ihn hinter ein provisorisch aufgestelltes Zelt, das das Opfer vor Reporterfotos schützen sollte. Der Rest seines Teams, das neben Donovan Caulfield aus den beiden Detectives Scott Dewey und Alex Mason sowie der Profilerin Gladys Larkin bestand, war bereits eingetroffen. Sie waren allesamt ein wenig blass um die Nase. Trotzdem zwang sich Ethan, die Leiche der jungen Frau, die bis vor ein paar Stunden wahrscheinlich sehr attraktiv gewesen war, genauer zu betrachten. Ihre Haut war wächsern und marmoriert von feinen, violetten Blutgefäßen. Um ihren Hals hing eine goldene Kette, die im Sonnenlicht glitzerte und ihre Kleidung war makellos und sauber, doch Ethan wusste um die Spuren stunden- oder tagelanger Qual, die sich darunter verbargen. Es gab nur zwei sichtbare Verletzungen: Die aufgeschnittene Kehle der jungen Frau, die nach ihrem Tod sorgsam wieder zugenäht worden war und drei feine Schnitte auf ihrer Stirn, die ein großes A bildeten. Die blutige Signatur des Killers.
    »Schöne Scheiße, was?« Donovan traf den Nagel auf den Kopf.
    »Mit was für einem Dreckschwein haben wir es hier nur zu tun, Glad?«, fragte Ethan. Gladys’ Job war es, sich mit der Psyche der Täter zu beschäftigen, sich in sie einzufühlen und ihr Innerstes zutage zu fördern. Eine Aufgabe, um die Ethan sie wirklich nicht beneidete.
    »Haltet die Reporter zurück«, wies Gladys die Officers an, bevor sie antwortete. »Mit einem ziemlich schlauen
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