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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Autoren: Meik Eichert
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zugehört, aber den Ruf des Bettes konnte und wollte ich nicht ignorieren. Im Gegensatz zu mir kann mein Gastgeber sich noch nicht schlafen legen, 2-3 Stunden hat er noch zu tun. Gleich kommen die Holländer zurück und wollen bis Mitternacht ihre Disco veranstalten. Ich werde versuchen, vorher ins Reich der Träume zu gelangen. Wenn ich einmal schlafe, kann neben mir eine Bombe explodieren!
     
    Nach den Erzählungen des Hausbesitzers muss ich darüber nachdenken, wie leicht und reibungslos mein eigenes Leben bisher verlaufen ist. Jedenfalls kommt es mir so vor. Oder liegt es daran, dass die Geschichten anderer Menschen grundsätzlich spannender klingen als die Eigenen, weil man diese als Normalität ansieht? Wahrscheinlich ein bisschen ja und ein bisschen nein!
     
     

    Ein erbaulicher Hinweis sieht anders aus…
     
     

Tag 9, Welschbillig – Trier 22,5 km
     
    Prima habe ich geschlafen, von Disco nichts gehört. Trotzdem bin ich schlecht aus den Federn gekommen. Als ich aufbrach, war so etwas wie Schwermut mein Begleiter. Eigentlich unverständlich, wo ich doch heute mit Trier mein erstes Zwischenziel ins Visier nahm und entsprechend besser hätte drauf sein müssen. Stattdessen beschäftigte ich mich mit einem möglichen Scheitern meines Vorhabens und der daraus resultierenden Gefühlslage, rein hypothetisch natürlich. Lag es daran, dass mit Frankreich die große unbekannte Komponente des Camino unaufhaltsam näher rückt, von der ich bisher nur gehört und gelesen habe, wie schwer sie ist? War es eine unterschwellige Angst, zumindest Unsicherheit, die mein inneres Gleichgewicht beeinflusste? Wissen tue ich‘s nicht, aber ich vermute es wird wohl etwas damit zu tun gehabt haben.
     
    Fest steht, die bisherige Strecke war nichts weiter als ein Aufgalopp, ein Warmlaufen für das, was noch kommt. Meine Problemchen mit den Füßen werden Pipifax sein gegen das, was mir der weitere Weg abverlangt, vor allem mental. Ich realisierte heute Morgen in bisher ungekannter Deutlichkeit, dass ich vor einem hohen Berg stehe, den ich zu besteigen beabsichtige, aber gerade einmal an dessen Fuß angelangt bin. Wo war der Berg bisher? Im Nebel meiner Gedankenschleier, die einen klaren Blick nicht zugelassen haben? Ich weiß es nicht, heute jedenfalls lag er beinahe drohend vor mir und signalisierte unmissverständlich, dass er es mir nicht leicht machen wird.
     
    Was ist, wenn ich es nicht schaffe? Die Antwort auf diese Frage blieb ich mir nicht schuldig. Ich würde mich wie ein Verlierer fühlen, eigentlich zum ersten Mal in meinem Leben. Bisher habe ich dieses Gefühl so noch nie kennen gelernt, auch wenn in den bald 4 Jahrzehnten meines menschlichen Daseins natürlich nicht alles glatt gelaufen ist, es Momente gab, in denen ich zumindest kein Sieger war. Dass ich zum Beispiel zweifellos vorhandene Karrierechancen bei meinem letzten Arbeitgeber nicht für mich genutzt habe, vielmehr die Trennung forciert habe, hat mich emotional gar nicht berührt. Es war mir nicht wichtig, also konnte ich dabei auch nichts verlieren. Im Gegenteil, meinen Job nicht mehr zu haben, empfand und empfinde ich noch immer als großen Gewinn, den auch die finanziellen und materiellen Einbußen in keinster Weise schmälern können. Aber nun, nun fürchtete ich mich, ich könne zu einem Verlierer werden. Warum? Der Weg bedeutet mir etwas, ist mir wichtig. Da steckt Herzblut drin und ich will, dass es mein Weg wird. Ich dachte in diesem Zusammenhang automatisch an Gott. Wird er bei mir sein, wird er mir die Kraft geben, die ich benötige, insbesondere an schlechten Tagen? Bin ich seiner Unterstützung würdig, auch wenn ich mein Leben nicht an religiösen Grundsätzen ausrichte? Diese und ähnliche Fragen begleiteten mich in den ersten Stunden meines Tagesmarsches und ich überlegte, ob ich auf dem Camino auch einen entscheidenden Impuls für meine berufliche Zukunft bekommen werde. Immerhin habe ich mir die Beantwortung dieser Frage ja als eine zentrale „Aufgabe“ mit auf den Weg genommen. Im Moment, so scheint es mir, ist einzig und allein die Bewältigung des Weges meine Aufgabe.
     
    Über den gibt’s heute nicht sonderlich viel zu schreiben. Nach rund 10 Kilometern hatte ich bei wieder einmal traumhaftem Sommerwetter die schöne Eifellandschaft hinter mir gelassen und gelangte durch das Biewerbachtal optisch wenig ansprechend zur Mosel. Dort zog es sich noch einige Kilometer, bis ich schließlich Trier erreichte. Ich merkte schnell, wie sehr
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