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911 - Der Tag, die Angst, die Folgen

Titel: 911 - Der Tag, die Angst, die Folgen
Autoren: Bernd Greiner
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Amerikas Politik und Kriegen in muslimischen Ländern und nicht zuletzt: ein Pochen auf soziale Gerechtigkeit, unterlegt von politischer Leidenschaft zur Durchsetzung dieses Ziels. Daher war auch der Schriftsteller Orhan Pamuk vielen Historikern seiner Zeit voraus, als er die Freudentänze in Istanbul nach dem Einsturz der Zwillingstürme wie folgt kommentierte: «Was den Terrorismus nährt, […] ist weder der Islam noch die Armut selbst, sondern es sind die Gefühle von Hilflosigkeit und Minderwertigkeit, die sich wie ein Krebsgeschwür in den Ländern der Dritten Welt verbreitet haben.»[ 3 ]
    Dass die Anschläge auf New York und Washington in die Zeit der Einführung des Breitbandinternet fielen, beförderte einezweite Lesart über alle Maßen – Verschwörungstheorien. Keine Behauptung ist zu abenteuerlich, als dass sie mittels der neuen Medien nicht weltweit diskutiert und Anhänger finden würde: Polizei und Geheimdienste hätten die Tragödie verhindern können, aber eine Verhaftung Osama Bin Ladens und anderer Drahtzieher sei politisch unerwünscht gewesen; die Flugzeuge seien nicht von Entführern gesteuert, sondern durch manipulierte Bordcomputer gegen den Willen einer hilflosen Besatzung automatisch ins Ziel gelenkt worden; nicht explodierende Flugzeuge, sondern im Vorwege platzierte und kontrolliert detonierte Sprengladungen hätten die Türme zum Einsturz gebracht; das Pentagon sei nicht von einem Flugzeug, sondern von einer Cruise Missile der US-Streitkräfte getroffen worden; die Air Force habe das vierte Flugzeug über Shanksville abgeschossen; Insider hätten in den Tagen vor dem Anschlag auffällig mit Aktien der betroffenen Fluggesellschaften und mit Obligationen im World Trade Center niedergelassener Investmenthäuser spekuliert und dabei ungewöhnlich hohe Gewinne erzielt, seien über das Kommende ebenso im Bilde gewesen wie israelische Banker und Regierungsstellen, die rechtzeitig Warnungen ausgegeben und damit jüdische Opfer verhindert hätten. Und so weiter und so fort in einer endlosen Litanei nach dem ewig gleichen Muster: Jedes Detail wird auf einer Fertigmatrix in Kausalketten eingepasst, bis am Ende alles Zufällige, Ungereimte und Kontingente geplant, beabsichtigt und wohl überlegt erscheint. Fazit: Was am 11. September geschah, hätten amerikanische Geheimdienste entweder ausgeheckt oder im Wissen um die Pläne der Terroristen geduldet – angeblich, um einen Vorwand für einen Krieg um Öl und gegen Muslime in der ganzen Welt zu finden.
    Wie es scheint, hat der 11. September einen Trend kenntlich gemacht, wenn nicht gar beschleunigt, der vor allem in den USA, aber auch andernorts um sich greift. Meinungen, Vorurteile und Gefühle treten auf Kosten von Fakten in den Vordergrund, Gläubige an die Stelle des Staatsbürgers. Sosehr Letztere über die Begründbarkeit von Argumenten streiten, sosehr immunisieren sich Erstere gegen die Kraft des Arguments. Wer nur noch die eigenenÜberzeugungen duldet, kann auf streitbaren Dialog verzichten, denn Glaube ist von Haus aus nicht falsifizierbar. In den emotionalen Aufwallungen der «Tea Party» in den USA oder der populistischen Islamwut in Europa findet dergleichen seinen vorläufigen Höhepunkt. Dass Barack Obama ein im Ausland geborener Muslim sei, halten bis zu 25 Prozent der von Meinungsforschern befragten Amerikaner für erwiesen; auch in Europa steigt offenbar der Anteil jener, die wider alle Evidenz schlicht alles für möglich halten. Im einen wie im anderen Fall kündet der öffentliche Umgang mit Gefahren und Unübersichtlichkeit von einer «Beschädigung der demokratischen Kernfähigkeit», wie Benjamin Barber schreibt: «Wir verlieren unsere demokratische Kernfähigkeit, nämlich einzuräumen, dass wir unrecht haben könnten, und dass unsere Ansichten nach irgendwelchen anderen Kriterien beurteilt werden müssen, als nur danach, wie sehr wir von ihnen überzeugt sind. […] Wir haben Meinung und Vorurteil an die Stelle von Wissenschaft und Vernunft gesetzt – oder noch schlimmer, wir erkennen den Unterschied zwischen beidem gar nicht mehr.»[ 4 ]
    In welcher Weise der «Krieg gegen den Terror» demokratische Werte, Verfahren und Institutionen und mithin jene Fundamente beschädigt, die es gegen die terroristische Herausforderung eigentlich zu stärken gilt – dieses Problem steht im Mittelpunkt der vorliegenden Studie. Dass die USA unter George W. Bush besondere Aufmerksamkeit verdienen, liegt nahe. Zwar forderte der
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