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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
Autoren: Karl May
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Verfügung und bin überzeugt, daß es Ihnen mit dieser Hilfe gelingen wird, Ihre Gegnerin glanzvoll aus dem Feld zu schlagen.
    Mit vorzüglicher Hochachtung und Ehrerbietung
    Léon Staudigel, Chef des claqueurs.“
    Es fiel ihm jedoch gar nicht ein, der Leda von diesem Schreiben ein Wort zu sagen, vielmehr erklärte er ihr:
    „Ich war verreist, und da hat mein Stellvertreter die Dummheit begangen, dieser Amerikanerin ein Offert zu machen. Ich war ganz wütend darüber.“
    „Das glaube ich! Nun läßt es sich denken, warum sie geschrieben hat. Sie wollte dieses Offert beantworten?“
    „Ja.“
    „Darf ich vielleicht erfahren, was Sie geschrieben hat?“
    „Nur unter strengster Diskretion!“
    „Gewiß.“
    „Hier, lesen Sie!“
    Er holte den Brief vom Schreibtisch und gab ihn ihr in die Hand. Es waren folgende Zeilen:
    „Mein Herr!
    Ich kann mich nicht rühmen, diejenige Art der Routine zu besitzen, deren Sie Erwähnung tun. Darum ist es wohl nicht zu verwundern, daß auch im übrigen meine Ansicht von der ihrigen abweicht.
    Ich glaube kaum, daß der bezahlte, also betrügerische Beifall einem wirklichen Künstler ein Hindernis zu bereiten vermag. Ich hasse alles Falsche, und darum sehe ich mich veranlaßt, auf Ihre Hilfe zu verzichten.
    Ellen Starton.“
    „Nun, was sagen Sie dazu?“ fragte der einstige Schneider, als die Tänzerin den Brief gelesen hatte.
    Sie zuckte verächtlich die Achseln und antwortete:
    „Dumm, zu dumm!“
    „Nicht wahr! Was bildet sich dieses Frauenzimmer ein!“
    „Sie ist verrückt!“
    „Sie ist nicht nur verrückt, sondern sie ist sogar geradezu unmöglich!“
    „Natürlich werden Sie klatschen lassen, daß das ganze Haus einfällt!“
    „Ein solches Zischen und Pfeifen soll noch niemals gehört worden sein. Verlassen Sie sich darauf, Mademoiselle! Das Engagement ist Ihnen sicher.“
    „Ich sagte Ihnen ja bereits, daß ich diese Gans nicht fürchte. Hier, nehmen Sie den Brief zurück. Lassen Sie ihn einrahmen als Souvenir einer geradezu grandiosen Borniertheit!“
    „Das sollte man tun. Ich werde ihr diese Zeilen in die Hand spielen, wenn sie sich gezwungen sieht, die Stadt zu verlassen. Dann wird sie einsehen, wer den Künstler macht – das Genie oder die Claque!“
    „Tun Sie das. Jetzt aber möchte ich Sie ersuchen, mich zu entlassen!“
    „So früh?“
    „Ich denke, daß unsere Angelegenheit geordnet ist?“
    „Aber diese wohl noch nicht?“
    Er umarmte sie und küßte sie.
    „Oh, ginge es nach Ihnen, so käme sie wohl niemals in Ordnung, wie es scheint. Leben Sie wohl, Herr Baron!“
    „Adieu, Mademoiselle! Betrachten Sie mich als Ihren Alliierten!“
    „Mit dessen Hilfe ich die Schlacht gewinnen werde.“
    „Wir werden einen Sieg davontragen, einen ganz und gar entscheidenden Sieg.“
    „Um so ehrlicher werden wir uns in die Beute teilen. Ich halte mein Versprechen!“
    Sie hatte vorhin den Droschkenkutscher abgelohnt. Sie wollte den Weg ins Hotel zu Fuß zurücklegen. Als sie jetzt ging und eben aus der Haustür trat, stand ein Herr im Begriff, vorüberzugehen. Sie erblickten sich und blieben überrascht stehen.
    „Gnädiges Fräulein“, sagte er.
    „Herr Verwalter“, stieß sie hervor.
    „Oder wohl nun gnädige Frau?“
    „Herr Petermann!“
    Er fand sich zuerst wieder, zog den Hut und meinte in höchst gemessenem Ton:
    „Bitte, mich dem Herrn Gemahl zu empfehlen!“
    Dies gab ihr die Herrschaft über sich zurück. Sie lachte höhnisch auf und sagte:
    „Gemahl? Sie sind des Teufels!“
    „Ich vermute, daß Sie verehelicht sind.“
    „Fällt mir nicht ein!“
    „So ist dieses innige Herzensbündnis dennoch zerrissen worden, gnädiges Fräulein?“
    „Zerrissen? Pah! Es war ja niemals auf eine Vermählung abgesehen gewesen.“
    Seine Miene zeigte eine außerordentliche Bestürzung.
    „Höre ich recht? So können Sie sagen?“
    „Warum nicht? Die Freiheit des Menschen ist mehr wert, als alles andere. Ich habe niemals Lust gehabt, die Sklavin irgendeines Eheherrn zu sein.“
    „Aber, gnädiges Fräulein –“
    „Gnädiges Fräulein? Das ist wirklich spaßhaft! Wissen Sie denn nicht –“
    „Was denn?“ fragte er beinahe angstvoll.
    „Sie haben es wirklich nicht erfahren?“
    „Kein Wort. Ich weiß ja gar nicht, was Sie meinen?“
    „Nun, Sie hielten mich für ein Fräulein Editha von Wartensleben?“
    „Natürlich.“
    „Wohl auch jetzt noch?“
    „Gewiß. Was denn sonst?“
    „Nun, das ist allerdings mehr als
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