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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
Autoren: Karl May
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Freundes, den er in Amerika kennengelernt und nie wieder zu treffen erwartet hatte.“
    „Hat er Ihnen den Namen dieses Freundes genannt?“
    „Nein, aber in seinen Augen glänzte es wirklich wie lauter goldener Sonnenschein.“
    Es wurde Ellen nicht gar zu schwer, das rege Interesse welches sie zu diesen Erkundigungen drängte, dem befangenen Mädchen gegenüber zu verbergen.
    Da riß die Negerin die Tür auf und brachte den Kellner geschleppt, welcher den Tee zu servieren hatte.
    „Sammy Kuchen!“ rief sie dabei. „Missis, viel Kuchen für Sammy!“
    „Schon gut! Nimm dir, und geh ans Fenster, um die Leute zu zählen, welche vorübergehen.“
    Die Schwarze beeilte sich, die zwei größten Stücke zu erwischen und sprang damit nach dem Fenster.
    „Und nun zu unserem heutigen Erlebnis“, sagte Ellen, als der Kellner sich entfernt hatte. „Wie kam es denn eigentlich, daß Sie als Modell sitzen sollten?“
    Hilda hätte sich am liebsten vor Scham verkriechen mögen; aber der klugen Tänzerin gelang es, alles aus ihr herauszulocken.
    „Ihr Bruder weiß nichts davon?“ fragte sie dann.
    „Oh, wenn der es wüßte, gnädiges Fräulein! Ich würde vor – oh, ich würde sterben!“
    „Nun, so ist es besser, Sie lassen ihn gar nichts erfahren. Ist denn die Summe hoch, welche Sie diesem habsüchtigen Juden zu entrichten haben?“
    Die Gefragte gab die Höhe an.
    „Und für eine solche Bagatelle wären Sie beinahe gezwungen gewesen, ein solches Opfer zu bringen! Armes Kind!“
    „Gnädiges Fräulein, eine Bagatelle ist das für uns ganz und gar nicht.“
    „Ich weiß das. Gott wird helfen, daß Sie nie wieder in so peinliche Sorge geraten. Sie sind Näherin. Fertigen Sie auch Damengarderobe?“
    „Die meinige, ja. Mutiger bin ich noch nicht gewesen. Ich bin nur Weißnäherin.“
    „Das kommt mir vortrefflich zustatten. Dürfte ich Ihnen vielleicht einen Auftrag erteilen?“
    „O Gott, wie gern möchte ich für Sie arbeiten. Aber, werde ich es bringen?“
    „Gewiß!“
    „Ich habe noch nie so Kostbares, wie Sie tragen, genäht.“
    „Nun, so arbeiten wir miteinander. Sie kommen, mich zu fragen, und vielleicht suche ich Sie auch einmal in Ihrer Wohnung auf. Haben Sie es jetzt notwendig?“
    „Nein. Der Auftrag der Ballettmeisterin war der letzte.“
    „Schön! So engagiere ich Sie für mich – Sammy, was weinst du denn?“
    Die kleine Negerin begann nämlich gerade jetzt, am Fenster stehend, in ein bitteres Schluchzen auszubrechen. Sie antwortete:
    „Sammy unglücklich sein, sehr unglücklich!“
    „Warum denn?“
    „Sammy Leute zählen soll – aber Leute so viel; Sammy kann nur zählen eins, zwei; aber Leute kommen so viel und so schnell, daß Sammy steckenbleiben. Nun Leute fort, und Sammy nicht hat kann zählen!“
    Dabei biß sie in den Kuchen und fand in diesem Genuß eine schnelle Beruhigung.
    „Also, ich engagiere Sie für mich“, wiederholte Ellen. „Nehmen Sie einstweilen nicht andere Anerbietungen an. Morgen werden wir gehen und Stoffe einkaufen. Darf ich Ihnen einen Teil Ihrer Rechnung, welche Sie mir machen werden, vorausbezahlen.“
    „O bitte, gnädiges Fräulein! Das geht doch nicht!“
    „Sehr gut sogar. Ich bin dies gewöhnt. Ich pflege nur in langen Zwischenräumen nach der Rechnung zu fragen, und da ist es wirklich nur gerecht, wenn ich einen Teil pränumerando entrichte. Haben Sie Ihr Portemonnaie mit?“
    „Hier.“
    Ellen nahm ohne Umstände das Geldtäschchen aus der Hand des Mädchens und ging mit dem selben nach dem anstoßenden Zimmer. Als sie zurückkehrte, sagte sie:
    „Hier nehmen Sie, liebes Kind! Der Inhalt gehört Ihnen. Ich habe auch meine Karte beigelegt, damit Sie erfahren, wie ich heiße. Nun aber wollen wir den Tee in seine Rechte treten lassen.“
    Als Hilda nach Verlauf von etwa einer Stunde sich auf dem Heimweg befand, fühlte sie sich in einer so glücklichen Stimmung wie noch nie in ihrem ganzen Leben. Sie konnte es doch nicht übers Herz gewinnen – an einer Stelle, wo sie augenblicklich nicht beobachtet wurde, das Portemonnaie aus der Tasche zu nehmen, um es zu öffnen. Neben der Visitenkarte blitzte ihr lauter Gold entgegen.
    Sie traute ihren Augen nicht. Sie zählte und fand, daß es gerade hundert Gulden seien. Und diese Summe war ihr als Vorschuß für zu liefernde Näharbeiten ausgehändigt worden! War so etwas überhaupt möglich?
    „Welch ein Glück! Welch ein großes, großes Glück!“ flüsterte sie erregt. „Oh, nun ist uns
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