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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I
Autoren: Karl May
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fuhr mit einem lauten Krach zur Erde nieder.
    „O jarik, o göküm, babaiarim, o tenim, o azalarim, o azalarim, o bukalim – o wehe, o mein Himmel, o meine Väter, o mein Leib, o meine Glieder, o meine Flasche!“ zeterte er, indem er die Linke hoch empor hielt, aber keinen Versuch zum Aufstehen machte.
    Ich sprang hinzu und konnte mich zunächst nur davon überzeugen, daß sein letzter Ausruf „o meine Flasche!“ sehr begründet war. Er hatte sie an einer der erwähnten Säulen zerschlagen und hielt nur noch den leeren Hals in der Hand. Der Inhalt hatte sich über sein Gesicht und seinen ganzen Anzug ergossen. Die andern Gäste blickten lächelnd herüber, aber keiner von ihnen machte Miene, herzukommen, um ihm beim Aufstehen behilflich zu sein.
    „Zara onlarinwar – sind Sie verletzt?“ fragte ich ihn, indem ich ihm den Flaschenrest aus der Hand nahm und ihn mit meinem Taschentuch abtrocknete.
    „Azalarim dschümle kyrmysch – alle meine Glieder sind zerbrochen!“ antwortete er, indem er, auf dem Rücken liegend, beide Arme und beide Beine emporhielt.
    „Das glaube ich nicht“, tröstete ich ihn; „wären sie an den Gliedern verletzt, so könnten Sie nicht diese für Sie so schwierige Stellung einnehmen. Versuchen Sie doch, einmal aufzustehen!“
    Ich nahm ihn bei den Händen und zog – zog – zog mir fast das Leben heraus, vergeblich! Da kam ein junger, schwarzer Mensch herbei, jedenfalls der Sufratschil (Kellner); er hatte ein Kohlenbecken in der Hand, mit dessen glühendem Inhalt er die Tschibuks der Gäste in Brand zu setzen pflegte. Der Junge besaß ein Gesicht wie einer, der zu jedem tollen Streich geneigt ist. Er faßte mit der Zange eine brennende Kohle und hielt sie dem Dicken so nahe unter die Nase, daß der Schnurrbart hörbar zu sengen begann. Im nu war der Türke auf und langte dem Knaben ein solches Bakschisch hinter die Ohren, daß dieser das Becken fallen ließ und schreiend im Hintergrund verschwand.
    „Sakalim, Byjykym güzel – mein Bart, mein schöner Schnurrbart!“ schrie der Dicke ingrimmig, indem er die malträtierte Zierde mit beiden Händen liebkoste. „Wie kann dieser Neger sich an dem Schmuck meiner Männlichkeit vergreifen! Allah brate ihn dafür im tiefsten Winkel der Hölle!“
    Jetzt, da er aufgerichtet vor mir stand, konnte ich ihn genau betrachten. Er war nicht zu hoch, aber, wie bereits gesagt, von desto größerem Körperumfang. Sein Gesicht zeigte eine tiefere Röte als nur diejenige der Gesundheit; es hatte den Ausdruck der Ehrlichkeit, und wenn seine Augen jetzt auch zornig funkelten, so schienen sie doch geeignet zu sein, bei andere Stimmung freundlicher blicken zu können. Sein Alter schätzte ich auf höchstens fünfunddreißig Jahre. Sein Anzug glich genau dem meinigen, weite türkische Schalwar (Hose), eine Weste und kurze Kubaran (Jacke) mit Stehkragen, Fes, ein Halstuch unter dem Hemdkragen und ein Gürteltuch, an den Füßen leichte Stiefeletten, nur daß meine Kleidung von mittelgrauer Farbe, die seinige aber dunkelblau und mit vielen goldenen Tressen und Schnüren verziert war. Er hatte das Aussehen eines Mannes, der mit dem Inhalt seines Beutels nicht zu geizen braucht.
    Jetzt betastete er seinen Körper hinten und vorn, von oben bis unten, und als er erkannte, daß er mit heiler Haut und einigen versengten Schnurrbarthaaren davongekommen sei, erheiterte sich sein Gesicht. Er steckte mir die Hand entgegen und sagte, indem er mir die meinige herzlich schüttelte:
    „Allaha schücke, szahg im! Bu wakyt n'asl idiniz – Gott sei Dank, ich bin gesund! Wie ging es Ihnen diese Zeit?“
    „Diese Zeit?“ fragte ich erstaunt. „Sie kennen mich, wie es scheint?“
    „Und Sie mich nicht?“
    „Ich kann mich wirklich nicht erinnern.“
    „Ich glaube es, denn Sie haben damals nicht mit mir gesprochen. Setzen wir uns! Sie sind ein Deutscher und werden gern ein Glas Bier trinken. Ich habe Sie gerufen, und Sie müssen die Güte haben, mein Gast zu sein.“
    Er setzte sich auf einen festen Stuhl, und ich nahm ihm gegenüber Platz. Welch ein Zufall! Kaum hatte ich in Kairo den Staub des Dschebel Abu Tartur von mir geschüttelt, so traf ich einen Türken, welcher mich kannte und gar nicht übel von mir zu denken schien! Ich war äußerst neugierig, zu erfahren, wer er war und wo er mich gesehen hatte.
    „Ja, walad, dschib schischaten – he, Junge, bringe zwei Wasserpfeifen!“ rief er nach hinten.
    Der Negerknabe kam zaudernd herbei und stellte die
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