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1846 - Kreise

Titel: 1846 - Kreise
Autoren: Unbekannt
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zusehends verdüstert. Mit den Moltrans’ verband sie eine länger währende Freundschaft; die Männer waren so etwas wie Arbeitskollegen, die Mädchen gleich alt, und mit Sybil war sie regelmäßig zusammen.
    „Seltsam", murmelte sie gedehnt, „ich kann mich gar nicht entsinnen."
    Sybil stand da wie vom Blitz getroffen.
    „Das gibt es doch nicht, oder? Deine Tochter heult sich die Augen aus; Ron und ‘du, ihr wart so glücklich, daß ihr endlich einen Sohn hattet, und jetzt willst du nicht einmal mehr wissen, wer ... Sag mir, daß das nicht wahr ist, Dinnie."
    Anstelle einer Antwort verschwand Dindra in der Hygienezelle. Ihr Schädel dröhnte von all den Fragen.
    Die Hände hohl aneinandergelegt, fing sie das aus der Leitung sprudelnde kühle Wasser auf und tauchte das Gesicht hinein. Die Kälte wirkte belebend, innerhalb weniger Sekunden klärten sich ihre Gedanken einigermaßen.
    „Du bist ganz schön mies drauf", hörte sie hinter sich Sybils Stimme. „Du hast den Spiegel verschmiert wie ein zweijähriges Kind. Ich weiß noch, als Anne ..."
    Dindra wollte die alten Geschichten nicht hören. Prustend ließ sie das Wasser aus den Handflächen ablaufen und aktivierte den Massagestrahl. Danach ging es ihr wieder gut.
    Sybil versuchte, den Spiegel zu reinigen. Bis auf wenige Schlieren schaffte sie es.
    „Wenn du mit mir reden willst, Dinnie, du weißt, ich bin jederzeit für dich da. Es ist wegen Ron, nicht?
    Ihr habt euch verkracht. War Jack schuld, ist er deswegen wieder fort?"
    Dindra Clandor biß sich auf die Lippen. Bis der Schmerz und der Geschmack von Blut unerträglich wurden.
    „Erwähn den Namen nicht mehr", stieß sie hervor. „Nie wieder, verstehst du. Ich kenne keinen Jack, wer immer das sein mag."
     
    *
     
    Dindra Clandor hatte sich leidlich frisch gemacht und versucht, alle störenden Gedanken zu verdrängen.
    Auf gewisse Weise war es ihr sogar gelungen, sie fühlte sich frei wie schon seit Tagen nicht mehr. Und sie hatte die Chamäleonhaut angelegt - ein Designerstück, das nicht nur ihre Figur vorteilhaft betonte, sondern sie aus verschiedenen Blickwinkeln sogar mit dem Hintergrund verschmelzen ließ. Für jeden, der ihr bis auf Tuchfühlung nahe kam, erweckte der Einteiler den Eindruck naturgegebener Nacktheit. Das war ihre Rache an Ronald für die vergangene Nacht.
    „Meinetwegen können wir. Ich bin bereit."
    Sybil Moltrans hüstelte unterdrückt. Was immer sie erwidern wollte, verbiß sie sich, weil just in dem Moment ein wüstes Klirren aus dem Kinderzimmer erklang.
    „Was war das?"
    „Illie." Dindra zuckte mit den Achseln. „Sie spielt."
    „Ilara ist nicht im Hort? Ich meine - ist sie krank oder?"
    Vergessen! Dindra verstand selbst nicht, wie sie das hatte vergessen können. Heute war Montag, Illie konnte nicht einfach fernbleiben. Aber egal, sie würde ihrer Tochter morgen eine Entschuldigung mitgeben.
    Sybil hatte bereits die Tür zum Kinderzimmer geöffnet. „Hallo!" rief sie. „Wie geht es der kleinen Patientin?"
    Illie reagierte nicht. Obwohl inzwischen vernünftig angezogen, war sie immer noch dabei, ihr Spielzeug um sich herum aufzubauen, nicht mehr auf dem Schreibtisch, sondern auf dem Boden; das war einfacher.
    Sobald etwas nicht so klappte, wie sie es wollte, rastete sie aus. Nacheinander schmetterte sie mehrere Bildwürfel gegen die Wand. Das Klirren stammte von einem gläsernen Kampfrobotermodell, das vornüber aus dem Regal gekippt und auf dem Tisch zersplittert war. Nur der Waffenarm bewegte sich noch surrend.
    „Illie, sag wenigstens >Hallo< zu Sybil!" erinnerte Dindra.
    Das Mädchen hob nicht einmal den Blick. Verbissen zerrte es an den beiden Handlungsarmen einer Haluterpuppe, bis das Kunstgewebe mit lautem Knirschen nachgab.
    „Ist sie so, seit Jack verschwand?"
    Mit keiner Miene verriet Dindra, daß sie die Frage überhaupt verstanden hatte.
    Ilara warf sich mit einem wütenden Aufschrei vornüber. Wild um sich schlagend, zerstörte sie alles das wieder, was sie eben noch mühsam aufgebaut hatte.
    So unvermittelt, wie der Anfall von Zerstörungswut ausgebrochen war, endete er auch wieder. Illie richtete sich auf den Knien auf und begann erneut, ihr Spielzeug in einer undurchschaubaren Kombination aufzubauen. Wer eben noch ihr Toben gesehen hatte, stand ihrer neuen Zärtlichkeit verständnislos gegenüber.
    Jede Figur drückte sie erst an sich, bevor sie sie auf den Boden setzte.
    Wieder fegte sie nach wenigen Augenblicken in einem Rundumschlag alles zur
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