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1516 - Chaos im Humanidrom

Titel: 1516 - Chaos im Humanidrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Gewichteres zu sagen, zum Beispiel: „Das Gleichgewicht der kosmischen Kräfte im Sektor Aquarius ist ernsthaft gestört", dann benützte er die lautlose Sprache, die Eirene nicht zu erlernen vermochte, weil sie keine sechs Armpaare hatte, mit denen sich zahllose Gesten ausdrücken ließen, und keine Augenstiele, mit denen man winken konnte, um die besondere Bedeutung einer Aussage zu unterstreichen.
    Im Lauf der Jahre lernte sie die lautlose Sprache immer besser verstehen. Wenn Willom sich mit einem Artgenossen über wichtige Dinge unterhielt, dann bekam sie wenigstens die Hälfte des „Gesagten" mit Was ihr fehlte, war die Möglichkeit, sich selbst auf lautlose Weise auszudrücken. Das hatte ihr Kummer bereitet, aber gerade in jüngster Zeit waren Veränderungen eingetreten, die in ihr die Hoffnung weckten, daß sie sich eines Tages doch auf nakkische Art und Weise mit Nakken würde verständigen können.
    Daher aber rührte gleichzeitig auch ihre Angst. Sie hatte droben auf dem Gipfelplateau des Berges gesessen und die Strahlung des Mondes Anansar in sich aufgenommen. Der Luftdruck in achttausend Metern Höhe betrug weniger als eine Zwanzigstelatmosphäre, und die Temperatur lag bei minus 23 Grad. Sie hatte ohne Atemoder Körperschutz dort oben,gesessen, mit weiter nichts angetan als ihrer Alltagsmontur. Die Kälte hatte ihr nichts ausgemacht, und den geringen Luftdruck hatte sie mühelos ertragen. Die Nakken gingen auch dort hinauf, um die hyperenergetische Emission des Mondes auf sich einwirken zu lassen und dadurch ihre Fähigkeiten der fünfdimensionalen Wahrnehmung zu erweitern. Auch die Nakken ertrugen den geringen Luftdruck und die beißend kalte Temperatur ohne Schwierigkeit. Was hatte das zu bedeuten? War sie im Begriff, sich zu wandeln? War es das, was sie sich eingehandelt hatte, als sie begann, sich für die Schneckenartigen und ihre geheimnisvolle Suche nach dem Innersten zu interessieren?
    Sie spürte die Wandlung auch zu anderen Zeiten - nicht nur, wenn sie sich oben auf dem Gipfelplateau aufhielt, sondern auch bei den Verrichtungen des Alltags. Manchmal, wenn sie sich mit Willom unterhielt und ihr angesichts der Wichtigkeit des Themas die Worte der gesprochenen Sprache ausgingen, fingen ihr unwillkürlich die Finger an zu zucken, die Arme in Bewegung zu geraten und die Augen sich auf seltsame Weise zu drehen. Sie versuchte, die lautlose Sprache der Nakken nachzuahmen. Und Willom schien sie zu verstehen! Mit Gesten und Körperbewegungen erklärte er ihr: „Du hast eine eigene Art, dich auszudrücken. Aber ich lerne sie begreifen! Mach nur weiter so, und wir werden uns ausgezeichnet verstehen."
    Das war es, was ihr Furcht bereitete. Sie hatte sich Willom angeschlossen, weil sie die Nakken verstehen lernen wollte. Sie wollte wohl das Geheimnis der Gastropoiden ergründen, dabei aber das bleiben, was sie von Geburt an und von Natur aus war: eine ... eine ...
    Ja, was? An dieser Stelle hakten ihre Gedanken gewöhnlich aus und begannen, in die Irre zu laufen. Was war sie? Die Tochter eines Terraners, der dank seines Zellaktivators eine Lebensstrecke von weit mehr als zweitausend Jahren zurückgelegt hatte, und einer Frau, die in jeder Hinsicht wie eine Terranerin wirkte - mit der Art homo sapiens terrestris auch fortpflanzungsfähig war -, in Wirklichkeit aber die Manifestation einer Kosmokratin darstellte. Welche Konsequenz ergab sich daraus für sie selbst? Welche Art von Wesen war sie?
    Hatte sie nicht, als sie sich mit Willom zusammentat, aus eigenem Antrieb ihren Taufnamen Eirene abgelegt und sich statt dessen Idinyphe nennen lassen - so wie Carfesch, der Bote der Kosmokraten, sie damals genannt hatte? War darin nicht ihr Wunsch zum Ausdruck gekommen, daß sie nicht als Mensch, sondern als etwas ... etwas anderes betrachtet werden wollte?
    Etwas Besseres womöglich?
    Sie schämte sich des Gedankens, konnte aber vor sich selbst nicht verleugnen, daß er ihr des öfteren durch den Kopf gegangen war. Idinyphe, die Tochter der Kosmokratin! Wäre es so unvorstellbar, daß wenigstens einige der kosmokratischen Attribute an ihr haften geblieben waren?
    So waren ihre Überlegungen damals verlaufen. Sie hatte sich zu Höherem berufen gefühlt. Jetzt aber rührte sich in ihrem Herzen die Furcht vor der eigenen Fremdartigkeit Wer - oder was - war sie wirklich?
    Fast war sie froh, daß sie in dieser Phase des Grübeins Sato Ambushs erster Funkspruch erreichte. Sie brauchte die Ablenkung. Der Pararealist

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