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1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

Titel: 1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd
Autoren: Jason Dark
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unmöglich, sich vom Fleck zu bewegen. Unsichtbare Arme schienen ihn zu halten. Hände hatten sich um sein Gesicht gelegt. Er sah sie nicht. Er spürte nur den heftigen Druck. Seinen Kopf konnte er nicht bewegen. Er wurde praktisch gezwungen, nach vorn zu schauen, genau auf die Gestalt.
    Eine Frau, die das weiße Brautkleid trug. Aber er kannte sie nicht. Sie hatte mit seiner Braut nichts gemeinsam. Sie sah so anders und so schrecklich aus. So leichenbleich mit leeren Augen, die ihn anglotzten.
    Wer war sie?
    Er hätte sie fragen wollen, was ihm nicht gelang. Da war die Kehle wie zugeklemmt. Die Angst hatte die Barriere gebildet. Das Normale war aus seinem Leben entschwunden. Er schaffte es nicht mehr, einen klaren Gedanken zu fassen. Nur die Gestalt im weißen Kleid zählte. Er wusste, dass die Person etwas von ihm wollte, aber er hatte nicht die Kraft, sie anzusprechen.
    Sie kam jetzt näher!
    Er hörte Geräusche, aber er hatte das Gefühl, dass es genau die falschen waren.
    Er hätte die Schritte auf dem Boden hören müssen. Das traf jedoch nicht zu. Kein Knarren, wenn jemand auftrat, nur das Schleifen des Stoffs drang an seine Ohren.
    Die lange Schleppe wischte über den Boden hinweg. Es hörte sich an, als wäre jemand dabei, leise auszuatmen. Wie ein Ring umgab das Brautkleid die Gestalt. Es war nicht zu eng geschnitten und schien perfekt auf den Körper abgestimmt zu sein.
    Wie für diese Gestalt gemacht!
    Sie war so ungewöhnlich. So ganz anders. Es fiel Harry schwer, in ihr einen normalen Menschen zu sehen. So etwas wie sie durfte es eigentlich nicht geben.
    Er wusste auch nicht, ob er es mit einem Menschen zu tun hatte oder nicht.
    Sie sah so aus. Aber welcher Mensch war schon so schrecklich bleich? Da hätte sie besser, mitsamt ihrem Kleid, in einen Sarg gepasst. Denn sie glich mehr einer Toten als einer lebenden Person.
    Das Wesen schwebte näher. Auch weiterhin glitt es einfach nur dahin. Es gab nichts, was sich bewegt hätte. Alles blieb starr. Das Gesicht ebenso wie die Hände. Die Beine sah er nicht, denn sie waren unter dem Kleid verborgen.
    Und noch etwas spürte der Mann, als die Gestalt sich ihm immer mehr genähert hatte. Es war die unnatürliche Kälte, die ihn wie ein Eishauch traf. Er schauderte zusammen. Er suchte trotzdem nach einer Erklärung und musste zugeben, dass es eine Kälte war, die nicht mit normalen Begriffen erklärt werden konnte.
    So eine quoll aus den Tiefen einer Gruft oder eines Grabs hervor, und so kam ihm der Begriff Totenkälte in den Sinn. Ja, Leichen strahlten diese Kälte ab oder waren von deren Aura umgeben.
    Es wäre für Harry Zeit gewesen, sich zur Flucht zu wenden. Er konnte es nicht. Etwas hielt ihn auf der Stelle fest. In seinem Magen spürte er die Stiche wie von einer unsichtbaren Klinge. Das Atmen fiel ihm schwer. Er hatte zudem das Gefühl, eingeschlossen zu sein, das Zimmer blieb normal, aber die Wände schienen sich auf und ab zu bewegen, und auch der Fußboden fing an zu schwanken.
    Von einem kalten Grauen hatte er höchstens etwas gelesen. Nun aber verspürte er es am eigenen Leib. Das Grauen war wie eine Fessel, die sich immer mehr zusammenzog und bei ihm für eine noch größere Beklemmung sorgte.
    Was sollte er tun?
    Fliehen!
    Aber das konnte er nicht.
    Die Gestalt ließ sich nicht beirren. Sie kam auf ihn zu, und sie hatte nur ihn als Ziel. Sie würde auch nicht an ihm vorbeigehen. Es sei denn, sie änderte ihre Richtung, aber daran dachte sie nicht.
    So blieb er mitten in ihrem Weg stehen und tat auch nichts, als sie ihre Schritte stoppte.
    Harry sah das Gesicht sehr deutlich. Die dünne und blasse Haut, den offenen Mund, aus dem kein Atemhauch drang. Ihm war jetzt klar, dass diese Gestalt nicht mehr lebte, sich aber trotzdem bewegte wie ein normaler Mensch.
    Das Grauen war nicht zu erklären, und er merkte, dass die Angst zu einem Druck in seinem Innern wurde, der ihn fast zerriss. Er konnte nichts tun. Sich nicht wehren. Er war dieser unheimlichen Totenbraut hilflos ausgeliefert.
    Sie stand so nahe vor ihm, dass sie die Arme nicht mehr ganz auszustrecken brauchte, um ihn berühren zu können. Als sich die kalten Handflächen gegen seine Wangen legten, da hatte er den Eindruck, verrückt zu werden. Die Hände wurden nicht zurückgenommen, aber es passierte trotzdem etwas, denn jetzt sprach die Gestalt ihn an.
    »Du bist der Bräutigam. Ich weiß es…«
    War das eine Stimme? Harry stufte sie nicht als solche ein. Und wenn, dann klang sie
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