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1029 - Evitas Folterkammer

1029 - Evitas Folterkammer

Titel: 1029 - Evitas Folterkammer
Autoren: Jason Dark
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ihn mehr als eine Demütigung ein.
    Demütigen, foltern, töten!
    Schrecklich diese gedanklichen Vergleiche. Früher hatte sich der Mönch darüber nie Gedanken gemacht. Sein Leben war nach den normalen klösterlichen Regeln abgelaufen. Doch aus dieser Sicherheit hatte man ihn brutal herausgerissen.
    Der Durst verwandelte sich immer mehr zur Qual. Schon mühsam öffnete Victor die Lippen, um sie mit den letzten Speichelresten zu benetzen. Es war beileibe nicht viel. Der Mund kam ihm trocken vor wie eine Stelle in der Wüste. Er spürte auch, daß seine Lippen aufgerissen waren. Dabei trocken und schon hart wie altes Vulkangestein.
    Er stellte sich vor, herrliches Wasser zu besitzen. So rein, so klar, so erfrischend. Ein Quell des Lebens. Ihn in sich hinein schlürfen und sich daran laben.
    Etwas quietschte in Victors Ohren!
    Augenblicklich waren seine gedanklichen Vorstellungen gelöscht.
    Die Wirklichkeit hatte ihn wieder.
    Er kannte das Geräusch. Es war immer dann zu hören, wenn Evita erschien und den Zugang zur Folterkammer aufzog. Es würde sich alles wie ein Ritual abspielen. Fackellicht, das über die alten Steinstufen tanzte. Das Erscheinen der Frau. Eine Tasche, die abgestellt wurde. Victor kannte die Vorgänge.
    Er drehte den Kopf nach links, um die Person sehen zu können. In den gezeichnete Gesichtszügen des fünfundfünfzigjährigen Mannes zuckte es. Die Lippen bewegten sich wie bei einer Person, die das Sprechen noch üben wollte. Er blies sogar die Wangen auf, als könnte er auf diese Art und Weise die Falten vertreiben.
    Es passierte wie immer.
    Das Licht flackerte auf. Eine Pechfackel stand dieser Person stets zur Verfügung. Der unruhige Schein floß über die Stufen hinweg und streifte an den Wand entlang. Dunkles und helles Licht wechselten sich ab. Beides schwebte auch als Widerschein über Evita selbst hinweg und ließ sie aussehen wie eine Figur von der Bühne.
    Bruder Victor war nicht dumm. Und erst recht nicht lebensfremd.
    Er hatte sehr viel gelesen, kannte sich im Internet aus und hatte seine Informationen auch über den normalen TV-Bildschirm erhalten.
    So wußte er auf ziemlich vielen Gebieten Bescheid. Aber diese Frau konnte er nicht einstufen.
    So wie sich Evita bewegte, erschien ihm das unnatürlich. Er dachte dabei an eine der Performance-Künstlerinnen, die auftraten, um sich selbst darzustellen, auch wenn sie nicht immer waren, was sie zeigten. So war es auch bei ihr.
    Sie kam, sie genoß ihren Auftritt. Sie schwebte die alten und krummen Stufen hinab, und manchmal schienen die Füße das Gestein nicht zu berühren.
    Auch die Haarfarbe war dem Gefangenen nicht bewußt geworden.
    Sie lag irgendwo zwischen blond und silbrig gesträhnt. Ein schmales Gesicht, in dem die katzenhaften Augen auffielen, der etwas breite Mund mit den relativ dünnen Lippen. Das Haar selbst fiel wie eine Flut bis auf die Schultern, wo sich die Strähnen verteilten oder – wie jetzt, in den runden Ausschnitt des blauen Oberteils hineinhingen, das den Oberkörper wie ein Trikot umschloß. Es war ärmellos.
    Aber Evita hatte ihre Handgelenke durch breite Lederstreifen verstärkt, auf denen stumpfe Metallnägel schimmerten. Sie trug eine enge schwarze Hose, schon als Leggins zu bezeichnen. Deren Enden verschwanden in den Schäften der Stiefel.
    Lässig nahm sie die letzten Stufen. In der rechten Hand hielt sie die Fackel, in der linken trug sie die übliche Tasche. Ohne diese beiden Dinge wäre Evita unvollständig gewesen.
    Nahezu locker tänzelte sie die Stufen hinab. Der Schein näherte sich dem Gefangenen. Victor rührte sich nicht. Kein Kettenglied bewegte sich. Nichts klirrte zusammen.
    Evita warf dem Mann einen ersten prüfenden Blick zu, nachdem sie die Stufen hinter sich gelassen hatte. Sie schien zufrieden zu sein, denn sie ging nachfolgend ihrer üblichen Tätigkeit nach, stellte zunächst die Arzttasche ab und rammte anschließend den Stiel der Fackel in einen dafür vorgesehenen Bodenspalt.
    Auch dieses rätselhafte Verhalten kannte Bruder Victor. Er stand im unruhigen Licht. Mit einem Blick überzeugte sich Evita vom Sitz der Ketten. Sie selbst hatte sie angelegt. Seitdem hatte sich nichts verändert.
    Dann bückte sie sich zur Tasche und holte daraus den Proviant.
    Kein Wort hatten die beiden miteinander gesprochen. Es gab keine Gemeinsamkeiten zwischen ihnen. Dazu waren sie zu verschieden.
    Der Gefangene hatte das Ritual oft genug erlebt. Er hätte es mit einer stoischen Gelassenheit über sich
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