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096 - Kreuzfahrt des Grauens

096 - Kreuzfahrt des Grauens

Titel: 096 - Kreuzfahrt des Grauens
Autoren: Earl Warren
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verwandtschaftlich, das kann ich versichern. Ich muß ehrlich gestehen, daß er mir nicht sonderlich sympathisch ist, aber er bemühte sich, freundlich zu mir zu sein. Warum sollte ich ihn da vor den Kopf stoßen und einen schönen Urlaub ablehnen?“
    „Das hätte ich auch nicht gemacht“, stimmte Harriet zu. „Einen solchen Onkel wünschte ich mir. Meine Verwandtschaft ist leider so geizig, daß sie jeden Nickel quetscht, bis der Adler auf der Rückseite schreit.“
    Alle lachten. Die beiden Bullaugen standen offen, und frische, salzige Meeresluft, vermischt mit einem Dufthauch von Gewürzen und tropischen Pflanzen, wehte herein. Bei Nacht war die Temperatur angenehm, bei Tag allerdings konnte man es nur in der Kabine aushalten, wenn der Ventilator auf Hochtouren lief.
    „Weshalb ist dein Onkel Eduardo ein Weißer und du bist eine Eurasierin?“ fragte Martin Sue.
    „Sehr einfach. Mein Vater, Pablo Diaz, wie Eduardo aus einer verarmten spanischen Familie stammend, deren Ahn schon 1621 auf die Philippinen gekommen war, heiratete 1953 die Chinesin Shoo Chon Lee, meine Mutter. Es kam deswegen zum Streit zwischen meinem Vater und meinem Onkel, denn die Diaz’ waren immer sehr darauf bedacht gewesen, ihr weißes Blut unverfälscht zu erhalten.“
    „Etwas Schöneres als dich hätte die Familie nicht hervorbringen können“, sagte Martin. „Schon deshalb hatte dein Vater recht, als er die Ehe mit deiner Mutter einging.“
    „Danke für das Kompliment. Aber jetzt wollen wir…“
    „Von anderen Dingen sprechen“, hatte Sue sagen wollen. Ein Stöhnen und Röcheln aus der Nachbarkabine unterbrach sie. Ein infernalisches Fauchen und Kreischen wurde laut. Es polterte, und Schläge dröhnten gegen die Wand. Jemand wimmerte.
    „Was ist das?“
    „Es kommt aus der Kabine meines Onkels“, sagte Sue. Ihre Augen waren geweitet. „Der Magier führt wieder eine seiner Beschwörungen durch.“
    Das Stöhnen wurde lauter. Deutlich drang es durch die stählerne Zwischenwand. Es polterte. Dann lachte jemand gellend und schaurig.
    „Was geht da vor, zum Teufel?“ fragte Martin. „Ob wir nach dem Rechten sehen sollen?“
    „Nein, nein. Mein Onkel reagiert sehr empfindlich und aggressiv, wenn jemand in seine persönliche Sphäre eindringt. Du hast heute abend an Bord gesehen, wie leicht erregbar er ist.“
    Nun hörte man ein Heulen und Jammern, dann laute Hilferufe. Sue setzte sich auf, bleich im Gesicht.
    „Das ist mein Onkel, der da um Hilfe schreit!“
    Die Schreie brachen plötzlich ab. Von anderen Kabinen wurde wegen des Lärms gegen die Wände getrommelt.
    „Diaz muß in Gefahr sein“, rief Yanakawa. „Wir müssen in seine Kabine und ihm helfen.“
    Sue hatte Bedenken.
    „Ich weiß nicht recht. Wenn es doch eine Beschwörung ist und wir ihn stören, wird er bitterböse.“
    „Die Hilfeschreie haben verdammt echt geklungen, Beschwörung hin, Beschwörung her.“
    Martin und Yanakawa eilten hinaus. Die Tür der Nachbarkabine war verriegelt. Martin klopfte und rief Diaz’ Namen.
    „Diaz! Senor Diaz!“
    Keine Antwort. Aus anderen Kabinen schauten Männer und Frauen.
    „Was ist das für ein Lärm?“ beschwerte sich einer. „Kann man kein Auge zu tun auf dem verdammten Kahn?“
    Martin und Yanakawa wechselten einen Blick. Dann warfen sie sich gegen die Holztür. Noch einmal und noch einmal. Die Tür krachte aus den Angeln. Martin, vom eigenen Schwung getragen, fiel mit der Tür in die Kabine. Harriet, die hinter Yanakawa stand, stieß einen Schreckensschrei aus.
    Eduardo Diaz lag am Boden, blau angelaufen im Gesicht und röchelnd. Über ihm kniete ein Mann im schwarzen Wams. Er trug einen Degen und zwei silberbeschlagene Pistolen im breiten Leibgurt. Die Krempe eines schwarzen Hutes verdeckte sein Gesicht. Er würgte Diaz, dessen Augen aus den Höhlen traten und dessen Zunge aus dem Mund quoll.
    Wenige Sekunden noch, und Diaz wäre ein toter Mann gewesen.
    Martin sprang auf. Er und Yanakawa packten den Würger an den Armen. Durch den Stoff der Kleidung spürten sie eine Eiseskälte.
    „Weg da!“ schrie Martin auf Englisch. „Wollen Sie den Mann umbringen?“
    Martin und Yanakawa mußten alle Kraft aufbieten, um den altertümlich gekleideten Mann von seinem Opfer wegzureißen. Der Schwarzgekleidete hob den Kopf. Er wandte das Gesicht Martin zu. Der ließ ihn vor Schreck los und wich zurück.
    Der Würger hatte einen Mumienschädel! Sein Gesicht war verdorrt und vertrocknet. Barthaare wucherten darin. Die
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