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0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam
Autoren: Simon Borner
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Untoten.
    Dicht an den Gräbern vorbeigehend, näherte sich der Professor der ersten Spalte. New York schien in Inwood seine Stolzesten und Besten begraben zu haben. Er sah die Ruhestätten von Peter Stuyvesant, dem einstigen Gouverneur der Kolonie Niew Nederlands, aus der das heutige New York hervorgegangen war. Wenn er sich nicht irrte, gingen die nach Tabak stinkenden Rauchschwaden aus seinem Traum auf Stuyvesant zurück - seltsam, welch kryptische Bilder das Unterbewusstsein mitunter zu formen verstand. Und da: das Grab Jacob Leislers! Des Mannes, der für New Amsterdam gestorben war. Der Hand, die im Traum nach dem Mikro gegriffen hatte, vermutlich um der Welt die eigene Meinung nahe zu bringen, wie es Leute wie Larry Kring und Barry Champlain jahrzehntelang getan hatten. Leute, die auf dem Inwood Hill Memorial gelandet waren. Auch das hatten sie gemeinsam, irgendwie.
    Sein Traum war erklärt. Es war der Versuch seines Unterbewusstseins gewesen, Zamorra auf den richtigen Weg zu führen. Den nach Inwood Hill.
    Der Dämonenjäger zuckte kurz zusammen, als sein Fuß an einer aus dem Boden ragenden Wurzel hängen blieb, versuchte sie abzuschütteln…
    ... und erkannte dann, dass es sich um keine Wurzel handelte!
    Sondern um eine Hand!
    Und in die Schatten kam Bewegung…
    Merlins Stern reagierte prompt. Die Bedrohung antizipierend, aktivierte das legendenumwobene Amulett seine Schutzfunktion, bildete den grünlich schimmernden Energieschirm um den Meister des Übersinnlichen. Der Schein der magischen Entladung riss Inseln der Helligkeit in die Finsternis. Aus weit aufgerissenen Augen beobachtete Zamorra, wie sich - schnell, oh so verdammt schnell - humanoide Leiber aus dem Erdreich hoben, als sei es Wasser und sie nichts weiter als Schwimmer am Beckenrand. Nahezu widerstandslos ließ Inwood sie gewähren, gebar dieses Land unheiliges, totes Leben. Zwei, fünf, zehn Leichen, wandelnd und mit wachem Blick, schwangen sich binnen weniger Sekundenbruchteile aus dem Grund. Die Monster legten die Köpfe in den Nacken, witterten. Nasenflügel - halb verwest und von Dreck und kleineren Insektenkolonien gezeichnet - hoben und senkten sich, als Wesen, die längst nicht mehr atmen mussten, plötzlich den Duft des Lebens wahrnahmen. Den Geruch des pulsierenden Blutes.
    Zamorras Blutes.
    Die Hand an seinem Fuß war längst vom Körper getrennt. Merlins Stern hatte durch den Arm des Zombies geschnitten wie ein Messer durch Butter, als die Kuppel entstand. Doch das schien sie an nichts zu hindern. Hart wie ein Schraubstock drückten die dicken Finger auf seinen Knöchel ein, klammerte sich das leblose Stück Mensch an seinen warmen, von Blut durchströmten Körper. Zamorra trat nach der Hand, schüttelte das Bein, doch die Klauen waren stärker, zäher. Schon bohrten sich eiskalte Fingernägel in die Haut oberhalb seiner Socken…
    Und das Amulett reagierte erneut. Bevor sein Träger auch nur auf die Idee kommen konnte, sich Magie zu bedienen, um den lästigen Angriff abzuwehren, ging auch schon ein Blitz der energetischen Schutzkuppel auf die unheimliche Hand nieder und pulverisierte sie.
    Dann waren die ersten Zombies heran. Grunzend und geifernd kamen sie näher, streckten ihre von Wunden, Schorf und Verwesung gezeichneten Arme nach ihm aus, bis die Blitze und die Energie ihnen Einhalt geboten. Es wurden immer mehr. Für jeden Untoten, der der Wand aus Licht zu nahe kam und verglühte, krochen drei weitere aus ihren Gräbern. Selbst Skelette waren darunter, an denen kaum noch oder gar kein Fleisch mehr hing. Zamorra sah sie von allen Seiten auf sich einströmen, eine Armee der Finsternis, die seinen Standort auf dem zur tödlichen Falle mutierten Gottesacker umringte. Belagerte. Wäre der Schirm nicht, der sie daran hinderte, sie hätten sich längst über den Meister des Übersinnlichen hergemacht.
    Aber das könnt ihr nicht , wusste er. Weil euer Leben dunkel ist, eure Existenz aus finsteren, lebensfeindlichen Mächten resultiert, von denen ich dachte, sie seien zerstört! Wohingegen Merlins Stern eine Waffe des Lichts darstellt .
    Sieht wohl so aus, als hätten wir die Hölle zerstört, aber nicht automatisch auch alle schwarzmagischen Aktivitäten. Wäre ja auch zu schön gewesen.
    Blieb die Frage, was er jetzt, in diesem Augenblick, tun sollte, um diese Pattsituation in einen Sieg zu verwandeln.
    Und, was aus Andy Sipowicz geworden war.
    ***
    Nein.
    Nein, bitte, nein.
    Stimmen im Licht. Ein Glanz, der das Hirn blendete.
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