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0943 - Herren aus der Tiefe

0943 - Herren aus der Tiefe

Titel: 0943 - Herren aus der Tiefe
Autoren: Simon Borner
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Postanschrift 30 Rockefeller Plaza auch gern »30 Rock« genannt wurde, und New York mochte seine Medien. Aber was zu viel war, war zu viel. Und Neil Silverman war es definitiv .
    Seitdem Andy und Lieutenant Zandt das Büro des Vizedirektors der hiesigen NBC-Niederlassung betreten hatten, behandelte Silverman sie wie den letzten Dreck. Ständig klingelten das Telefon oder die Inbox seines Mailprogrammes, ständig musste er seinen drei Sekretärinnen im Vorzimmer dringend noch einen Gedanken mitteilen oder sich auf einem der fünf Flachbildschirmmonitore, die die Wand hinter seinem Schreibtisch prägten, »nur ganz kurz« irgendwelchen Scheiß anschauen - natürlich ungestört. Nicht einmal einen Kaffee hatte er den Cops angeboten. Und zuhören tat er auch nur dem Anschein nach. Sein Ego schien so groß zu sein, wie sein Büroteppich dick und seine knarzenden Sessel aus schwarzem Rentierleder teuer gewesen waren.
    »Nochmals, Mister Silverman.« Zandt grunzte ungehalten. Es passte ihm ganz und gar nicht, geduldiger sein zu müssen, als es sonst seine Art war. »Es geht um Ihren Bekannten George D'Aquino. Wie wir Ihnen schon am Telefon mitteilten, haben wir Mr. D'Aquinos Hintergrund durchleuchtet und dabei festgestellt, dass er und Sie in der letzten Woche beide eine beträchtliche Summe an wohltätige Hilfsorganisationen gespendet haben. Eine sehr beträchtliche sogar. Hätten Sie vielleicht endlich die Güte, uns zu dieser Transaktion ein paar Fragen zu beantworten, Sir?«
    Neil Silverman kicherte leise, strich sich imaginäre Staubflusen von seinem Armani-Anzug und rückte seine ohnehin schon perfekt sitzende Krawatte gerade. Sein zurückgegeltes grau meliertes Haar glänzte im Licht der durch das breite Panoramafenster einfallenden Sonnenstrahlen. »Ich bitte Sie, Lieutenant, das war doch nur Geld. Sie wollen doch wohl nicht ernsthaft behaupten, diese zufällige Gemeinsamkeit mache mich zum Tatverdächtigen an Georges Ermordung? Wenn ich recht informiert bin, wurde der Arme in einer U-Bahn überfallen und ausgeraubt, richtig? Also: Wie hieß das bei Casablanca ? Treiben Sie die üblichen Verdächtigen zusammen - die Junkies, Obdachlosen, Schwarzen. Was halt so da draußen in der Gosse herumkriecht. Einer von denen wird's schon gewesen sein.«
    Andy wusste nicht, was er mehr verabscheuen sollte: die oberlehrerhafte Art, in der dieser Fatzke mit ihnen zu sprechen wagte, seinen unverhohlenen Rassismus oder die Tatsache, dass Silverman aller multimedialen Erreichbarkeit zum Trotz nicht einmal die Hälfte von dem wusste, was letzte Nacht unter der Amsterdam Avenue tatsächlich geschehen war.
    Auch Zandt war der Lapsus nicht entgangen. Mit süffisantem Grinsen hakte der Lieutenant nach. »Ich fürchte, ich muss Sie korrigieren, Sir. Mr. D'Aquino wurde keinesfalls Opfer eines simplen Raubüberfalls. Alle seine Habseligkeiten trug er noch bei sich, als die Spurensicherung eintraf.«
    Mit wenigen Worten beschrieb er dem TV-Schaffenden, was das NYPD im Waggon der Linie A vorgefunden hatte. Bei jedem neuen Detail wurde Silverman blass und blasser. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Bei allem Respekt, Lieutenant«, sagte er sichtlich erschüttert. »Ich wüsste nicht, was das mit mir zu tun haben soll. Ich habe nichts verbrochen, mein Alibi für den gestrigen Abend ist wasserdicht. Dementsprechend habe ich Ihnen auch nichts zu sagen, Gentlemen. Wenn Sie jetzt bitte wieder gehen würden?«
    Plötzlich wusste Andy, was er zu tun hatte. Zandt hatte eine Information ausgelassen - vermutlich, weil er sie für unwichtig und unnötig verwirrend hielt. Doch Andys Instinkt sagte ihm, dass Silverman vielleicht genau darauf ansprang. »Außerdem«, fügte er noch hinzu und ignorierte den Armani-Mann dabei, »war da noch der Hufabdruck im Boden des Waggons. Ein wahrlich bemerkenswerter Fund, Sir. Sah aus, als habe der Teufel persönlich der New Yorker U-Bahn einen Besuch abgestattet, um sich Mr. D'Aquinos Seele zu nehmen.«
    Volltreffer! Silvermans Maske fiel; nackte Panik stand auf seinen Zügen, und für einen Augenblick schien er das Atmen vergessen zu haben.
    »Was sagen Sie da, Sergeant?«, fragte er nahezu tonlos.
    Andy wiederholte die Beschreibung.
    Einen Moment lang sah es aus, als wisse Silverman nicht weiter. Wie ein Reh im Scheinwerferlicht blickte er die Cops an, hilflos, ratlos und vollkommen überfordert. Jegliche Farbe war aus seinem eben noch so gebräunten Gesicht gewichen, und sein Adamsapfel hüpfte bedenklich auf
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