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0925 - Blutzoll

0925 - Blutzoll

Titel: 0925 - Blutzoll
Autoren: Jason Dark
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nasses Haar zurück.
    Ich hatte verloren. Daran gab es nichts zu rütteln. Der Platz neben mir war leer. Kein Totenbuch mehr, und ich schaffte es auch nicht, einen Blick auf Suko zu werfen.
    Dafür starrte ich durch die Scheibe in den schwächer werdenden Regen. Es war auch etwas heller geworden. Der Wind hatte einige Lücken in die Wolkenbänke gerissen, wo jetzt der blaue Himmel zu erkennen war. Es war eine frische, herrliche Bläue, und sie kam mir in meiner Lage wie ein Spott vor.
    Der Blick auf die Uhr zeigte mir, daß der Abend angebrochen war. Aber im Juli dauerte es eben seine Zeit, bis sich die Dunkelheit über das Land legte.
    Den ersten Angriff hatte ich überstanden, trotzdem verloren, aber ich würde mich wieder erholen, denn die andere Seite hatte noch nicht gewonnen.
    Da ich hier günstig parkte, blieb ich auch stehen, griff zum Telefon und wählte die Nummer meines Chefs.
    Sir James hatte auf meinen Anruf gewartet, und seine Stimme klang nicht eben lustig.
    »Ich habe noch nichts von Shao und Suko gehört, John.«
    Mein Mund zuckte. Ich wollte grinsen, aber ich ließ es. Statt dessen gab ich eine Antwort, wobei ich leicht stöhnte. »Das kann ich mir denken, Sir.«
    »Wieso?«
    »Ich habe Suko als Teil eines Bildes in diesem verdammten Totenbuch gesehen.«
    Der Superintendent war nicht leicht zu schocken. In diesem Fall aber hörte ich einen von ihm noch nie vernommenen Laut, den ich auch nicht identifizieren konnte. Danach seine Stimme, rauh und stöhnend. »Das ist doch nicht wahr!«
    »Doch, Sir.«
    »Aber er und Shao sind nur dorthin gegangen, wo auch Sie schon waren, John.«
    »Richtig. Mich hat es nicht erwischt, aber Suko habe ich in diesem Totenbuch gesehen…«
    »Und Shao?«
    »Sie nicht.«
    »Was ist mit dem Buch?«
    »Man hat es mir entrissen!«
    »Auch das noch!«
    Vorwürfe an meine Adresse wären berechtigt gewesen. Damit hielt sich Sir James jedoch zurück.
    Ehe er es sich noch anders überlegte, berichtete ich ihm, wie knapp ich dem Tod entwischt war, was meinen Chef natürlich sehr beeindruckte.
    »Dann haben wir Glück im Unglück gehabt.«
    »So kann man es sehen, Sir.«
    »Sie werden die beiden natürlich suchen.«
    »Worauf Sie sich verlassen können, Sir James. Und ich werde dort hinfahren, wo alles begonnen hat. Für mich ist dieser Anbau nichts anderes als eine magische Brutstätte. Wenn es so etwas wie eine Zentrale für diesen Schatten oder Begleiter gibt, dann muß ich sie dort finden können. Wenn nicht, bin ich mit meinem Latein am Ende.«
    »Gut, leiten Sie alles in die Wege. Sollten Sie Hilfe brauchen, Ihnen steht alles zur Verfügung, was sie brauchen.«
    »Danke, ich melde mich dann später wieder.«
    Mit einem Taschentuch wischte ich mir die Feuchtigkeit aus dem Gesicht. Es war ein Gemisch aus Schweiß und Wasser.
    Die graue Düsternis des Unwetters hatte sich verzogen. Nicht nur große Flecken des blauen Himmels waren zu sehen, auch die Sonne, und sie dampfte mit ihrer Kraft die Feuchtigkeit allmählich wieder weg.
    Dick und träge lag der Dunst über dem Boden. Nebelwolken wallten hoch. Es gab so gut wie keinen Wind mehr, der diese Dunstflecken hätte bewegen können. Irgendwo wirkte die Welt nach dem heftigen Regen wie erstarrt, als wollte sie sich regenerieren.
    Ich fuhr wieder an. Eigentlich war ich ein optimistisch eingestellter Mensch, in diesem Fall aber sah ich meine Felle davonschwimmen. Und auf meine Gefühle konnte ich mich verlassen…
    ***
    Shao wartete.
    Sie konnte nichts anderes tun, als ein Teil dieser verrückten anormalen Welt zu sein. Ein Mitglied einer anderen Dimension, von der sie zuvor noch nie etwas gehört hatte.
    Denken ja, bewegen nein.
    So mußte sich jemand fühlen, der zu Stein erstarrt war. Oder gestorben war, aber Tote hatten keine Gefühle mehr. So wie Shao konnte nur ein lebender Mensch denken.
    Das war ihre einzige Hoffnung.
    Sie lebte noch.
    Sie war nicht tot.
    Aber die andere Seite hatte die Kontrolle über sie übernommen, und sie würde sie auch nicht aufgeben, jedenfalls nicht freiwillig.
    Wie lange Shao schon in diesem Zustand aushielt, konnte sie nicht sagen. Es gab keine Zeit mehr für sie. Alles war anders und ziemlich unwichtig geworden, aber die Zustand hielt doch nicht lange an. Es veränderte sich etwas.
    Bisher hatte Shao die einzelnen schrecklichen Selbstmord-Szenen genau verfolgt; es war ihr wegen der Starrheit auch nichts anderes übriggeblieben, doch nun stellte sie fest, daß sich etwas veränderte.
    Die Bilder
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