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0855 - Spektrum des Geistes

Titel: 0855 - Spektrum des Geistes
Autoren: Unbekannt
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tät-lich geworden. Tage darauf hatte er sich bei ihr für sein Verhalten entschuldigt und ihr zum Zeichen der Versöhnung jenes Amulett in die Hände gedrückt, das sie in all den Jah-ren nur einmal und zwar an jenem Tag bei ihm gesehen hatte, als er zu ihr zurückgekehrt war.
    Sie spürte von dem unbehauenen Anhänger eine seltsame Kraft auf sich überfließen, und während sie noch auf den rohen Klumpen starrte, erschien darin das Abbild eines zwotterähnlichen Zwerges, der ihr lächelnd zuwinkte ... Die Erscheinung verblaßte, als Boyt ihr das Amulett schnell wieder wegnahm.
    „Genug", sagte er und verstaute das Amulett unter seinem Gewand. „Das ist nur etwas für meine Paratender. Sie halten mich für einen Sektierer und ahnen nicht, welche Macht ich über sie habe. Ich bin dabei, mich völlig neu zu orientieren, Virna. Jörge hat mich auf die Idee gebracht, in den Untergrund zu gehen. Ich muß mir eine Doppelexistenz aufbau-en, um unerkannt zu bleiben."
    Er nahm sich ihr gegenüber nie ein Blatt vor den Mund, weil er sicher sein konnte, daß sie nichts gegen ihn unternehmen würde. Sie war seine Klagemauer und vielleicht auch sein Jungbrunnen. Denn während sie einem beschleunigten Alterungsprozeß unterworfen zu sein schien, war es, als hätte er die ewige Jugend gepachtet. Er war ein Kind unbe-stimmbaren Alters mit einem Engelsgesicht, und sie war überzeugt, daß er sich dieses Engelsgesicht bewahren würde, wie alt er auch war. Sie dagegen war mit 34 Jahren eine Greisin, die oft an den Tod und die Phrase vom Tod als Erlöser dachte.
    Obwohl Virna wußte, daß Boyt wie ein Vampir ihre Lebensenergie aufsaugte, war sie froh, wenn er sie besuchen kam. Die Hörigkeit zu ihm störte sie nicht.
    „Was wird aus dir, wenn ich einmal nicht mehr bin?" fragte sie ihn.
    „Ich kann längst auf eigenen Beinen Stehen", erwiderte er. „Außerdem habe ich Jörge.
    Er ist ein guter Lehrmeister, und er kann mir noch sehr nützlich sein. Ohne dich kann ich leben, aber ich weiß nicht, was ich ohne ihn machen würde."
    Sie war solch harte Worte von ihm gewohnt.
    Eine Woche nach diesem Gespräch kam Jörge Bellon zu Besuch. Virna freute sich über die Abwechslung, und noch mehr freute sie sich, als sie ihm sagte, daß Boyt nicht da sei, und er sich froh darüber zeigte und versicherte, daß er allein ihretwegen gekommen sei.
    „Ich will mich von dir verabschieden", sagte er. Auch Jörge war in den letzten Jahren stark gealtert. „Ich mache Schluß mit Boyt."
    „Das kannst du nicht, Jörge. Er braucht dich wie keinen anderen Menschen. Er hat es mir erst vor ein paar Tagen gesagt."
    Jörge lachte verbittert.
    „Sieh mal, Virna, ich habe lange genug Geduld gehabt. Ich glaubte, Boyts Entwicklung steuern zu können. Das hört sich absurd an, da er ja mich beeinflußt und mir seinen Willen aufzwingt. In der Praxis ist das aber etwas anders. Ich muß ihm zwar gehorchen, kann nichts tun, was ihm schaden würde, habe mir aber meinen gesunden Menschenverstand bewahrt. Ich bin sein Sklave, zugleich aber auch sein gutes Gewissen und sein schärfster Kritiker geblieben. Boyt hat nicht soviel Macht über mich, daß er meine Persönlichkeit ausschalten kann."
    „Boyt ist nicht wirklich schlecht, er steht jenseits von Gut und Böse", sagte Virna.
    „Das habe ich früher auch gedacht", erwiderte Jörge. „Aber nachdem alle meine Bemü-hungen gescheitert sind, aus ihm ein wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft zu machen, habe ich die bittere Erkenntnis gewonnen, daß ich auf aussichtlosem Posten stehe. Boyt hat keine Moral, kein sittliches Empfinden, menschliche Werte erkennt er nicht an."
    „So darfst du von ihm nicht sprechen, Jörge."
    „Aber es ist die Wahrheit, Virna. Boyt steht außerhalb aller Konventionen. Er ist das, was die Psychologen als gemütlos bezeichnen, ohne Mitgefühl für andere, ohne Scham und Ehrgefühl oder Gewissen läßt er seinen Trieben ungehindert freien Lauf. Ich kann das nicht länger unterstützen."
    „Was führst du im Schilde, Jörge?"
    „Ich habe mich für eine Expedition zum vierten Planeten des Teconteen-Systems verpflichtet", antwortete Jörge. „Dort hoffe ich, genügend Distanz zu gewinnen und zu einem endgültigen Entschluß zu kommen."
    „Ha, glaubst du, dich auf diese Weise deinen Verpflichtungen entziehen zu können?"
    schrie sie ihn an. „Da irrst du gewaltig, Jörge. Boyt wird dich auch im Teconteen-System aufspüren. Und er wird dich für deinen Verrat bestrafen."
    „Wir werden
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