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0719 - Sargasso-Tod

0719 - Sargasso-Tod

Titel: 0719 - Sargasso-Tod
Autoren: Roger Clement
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Mute…«
    »So stark ist der Wein doch gar nicht. Oder hast du zu wenig gegessen?«
    Die Worte ihres Freundes konnten kaum noch zu der Studentin durchdringen. Der Wein war wirklich nicht das Problem. Das Grauen lauerte nicht in ihrem Magen oder in ihrem Gehirn.
    Sie bekam keinen Schwips, ihr war auch nicht schwindlig oder albern zu Mute.
    Es war etwas mit Regines Seele geschehen.
    Verzweifelt versuchte die junge Frau zu erkennen, was mit ihr vor sich ging. Die seltsame Veränderung ließ sich kaum in Worte kleiden.
    Es war, als hätte jemand in ihrem tiefsten Inneren ein Tor aufgestoßen. Ein Tor, das besser für immer verschlossen geblieben wäre.
    Ein Tor, hinter dem das absolute Grauen lauerte…
    »Neeeiiiiinnnn!«, schrie Regine plötzlich gellend.
    Sie sprang auf und lief ins Wasser.
    Bernd war schockiert. Er kannte seine Freundin als vernünftige und selbstbeherrschte Person. Regine plante ihr Leben genau durch, überließ nichts dem Zufall. Ein solcher Gefühlsausbruch war völlig untypisch für sie.
    Gerade diese Tatsache beunruhigte den Studenten zutiefst. Und nun rannte sie auch noch ins Meer. Wollte sie vielleicht nachts schwimmen, in unbekannten Gewässern, mitten im Dezember?
    Das wäre Selbstmord!
    »Regine!«, brüllte Bernd. »Komm sofort zurück!«
    Doch seine Freundin hörte nicht auf ihn. Der junge Mann glaubte allerdings nicht, dass sie ihn überhaupt verstanden hatte.
    Sie eilte auch nicht zielgerichtet in die Brandung, sondern torkelte planlos herum wie eine Volltrunkene. Bernd biss sich auf die Lippen, als er ihr folgte, um sie zurückzuholen.
    Es war völlig unmöglich, dass der Wein ihr so zugesetzt hatte. Zwei, drei Schlucke. Mehr konnte Regine von dem Roten unmöglich genippt haben. Hatte sie sich vielleicht eine Grippe eingefangen und litt jetzt unter hohem Fieber?
    Eine andere Erklärung fiel Bernd zunächst nicht ein. Er hatte auch keine Zeit, lange darüber nachzudenken. Zunächst musste er seine Freundin vor dem Ertrinken bewahren. Denn er glaubte nicht, dass Regine in ihrem Zustand würde gut schwimmen können.
    Sie stieß immer noch seltsame, schaurige Schreie aus. Nun war sie bereits bis zur Brust im Wasser. Im Gegensatz zum Strand von El Hierro, der noch im Dezember von den heißen Sahara winden angewärmt wurde, war das Atlantik-Wasser schon ziemlich kalt.
    Bernd packte seine Freundin an den Schultern.
    »Komm zurück, Regine! Du holtst dir den Tod! Du…«
    »Den Tod.«
    Mit einer völlig fremden Stimme antwortete das Mädchen. Sie sprach die beiden Worte aus, als würde sie eine Fremdsprache zum ersten Mal benutzen. Als wollte sie ein Wort nachbeten, dessen Bedeutung sie nicht kannte.
    Nun drehte Regine den Kopf. Sie wandte Bernd ihr Gesicht zu. Und obwohl der Student es in dem bleichen Mondlicht kaum erkennen konnte, wurde er von einem entsetzlichen Horror gepackt.
    Dabei wirkte Regines Gesicht auf den ersten Blick unverändert. Die hohe Stirn, die gezupften Augenbrauen, die grünen Pupillen, die gerade Nase und der sinnlich geschwungene, breite Mund. Alles das kannte und liebte Bernd an seiner Regine.
    Und doch war sie grauenvoll verändert worden.
    Die Einzelteile ihres schönen Gesichts waren immer noch vorhanden. Doch etwas Grundsätzliches stimmte nicht mehr.
    Ihr Gesicht hatte seine innere Ordnung verloren. Anders konnte Bernd es nicht beschreiben. Aber dann ging ihm ein passenderer Gedanke durch den Kopf.
    Regine ist… entseelt!, sagte er zu sich selbst. Unwillkürlich taumelte er in dem kalten Wasser einen Schritt zurück. Er spürte nicht die spitzen Steine unter den Leinenschuhen an seinen Füßen. Mit seinem angeborenen Überlebensinstinkt wich er vor einem Wesen zurück, das kein Mensch mehr war.
    Regine stand Hohn lachend vor ihm. Sie lebte, sie atmete. Aber Bernd fühlte ganz genau, dass ihre Seele verschwunden war. Die Seele der Frau, die er liebte…
    Doch gleichzeitig kam ihm ein noch unheimlicherer Einfall. Wenn Regines Seele verschwunden war - durch was für eine Macht wurde sie jetzt gesteuert? Was ging in ihrem Inneren vor sich? Wer beherrschte sie?
    »Ich bin Kabor.«
    Die Worte kamen aus Regines Mund, wenn es auch nicht ihre Stimme war. Wieder klang es, als würde jemand fremdsprachliche Worte ohne Sinn und Verstand ablesen.
    Kabor.
    Bernd Ostendorf hatte diesen Namen noch niemals gehört. Und er wollte auch keine nähere Bekanntschaft mit dem Wesen machen.
    Plötzlich fürchtete sich der junge Student vor dem schönen Körper seiner geliebten
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