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0718 - Das Dorf der Toten

0718 - Das Dorf der Toten

Titel: 0718 - Das Dorf der Toten
Autoren: Adrian Doyle und Timothy Stahl
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zuvor der bleiche Mann gesessen hatte. Setzte sich und starrte Farnsworth interessiert an - wie ein Insektenforscher, der einen aufgespießten Käfer studiert.
    Farnsworth’ Augen quollen aus den Höhlen, vor seinem Mund platzten Schaumblasen. Er hörte sein eigenes erbärmliches Wimmern, bis sich endlich, endlich gnädige Dunkelheit - und Stille - über ihn senkte.
    Mit in den Tod nahm er die bittere Erkenntnis, dass nicht er das Phantom gefunden hatte, dessentwegen er nach Oregon gekommen war, sondern das Phantom ihn.
    Sein letzter Gedanke war: Fuck…
    ***
    Tage danach, Lyon, Frankreich
    Beerdigungen waren Zamorra zuwider. Zumal zu dieser Jahreszeit und der dafür typischen Witterung - grauer Himmel, grauer Nebel, Nieselregen, nasskalt.
    Vielleicht, sinnierte er, während er neben Nicole Duval und inmitten einiger Dutzend weiterer Trauergäste auf dem altehrwürdigen Friedhof von Lyon stand, lag es an seiner eigenen - wenn auch relativen - Unsterblichkeit, dass ihm Begräbnisse so ein Gräuel waren. Er fühlte sich auf schwer zu beschreibende und zu begreifende Weise schuldig, wenn er vor einem offenen Grab stand, in das Gevatter Tod einen Menschen geschickt hatte, weil es für den ›an der Zeit‹ gewesen war, wie es im Volksmund so schön hieß.
    Ihm würde diese Stunde nicht schlagen. Er hatte dem Tod und dem Ablauf seiner ureigenen Zeit ein Schnippchen geschlagen, als er aus der Quelle des Lebens getrunken hatte - wie Nicole übrigens auch. Damit, so sollte man meinen, stand er besser da als der größte Teil des Restes der Menschheit…
    Aber es war, wenn man genauer darüber nachdachte, eben nicht so.
    Denn die Tatsache, dass sein Alterungsprozess extrem verlangsamt und er gegen Krankheiten und Zipperlein immun war, bedeutete für Zamorra zwar, dass er keines natürlichen Todes sterben konnte - aber es bedeutete eben auch, dass er keines natürlichen Todes sterben würde !
    Im Klartext hieß das: Er würde irgendwann gewaltsam aus dem Leben gerissen werden!
    Dieser Gedanke, mehr noch, dieses Wissen hatte auch für Zamorra - einen Mann, der dem Tod Hunderte Male ins Gesicht geblickt hatte und ihm noch jedes Mal entgangen war - etwas zutiefst Beunruhigendes - nein, Beängstigendes, wenn er ganz ehrlich war.
    Und eben daher rührte seine Abneigung gegen Begräbnisse jedweder Art. Weil sie eben diese Überlegungen in ihm in Gang setzten und ihm den Fluch der Langlebigkeit drastisch vor Augen führten.
    »Ich seh dir an, woran du denkst«, murmelte Nicole ihm zu, während weiter vorne am offenen Grab der Pfarrer einen Psalm las.
    »Kunststück«, gab Zamorra ebenso leise zurück. »Muss am frischen Erdgeruch liegen, dass mir bei Begräbnissen immer dieselben Gedanken durch den Kopf gehen.«
    »Es ist ja bald ausgestanden«, meinte Nicole ein klein wenig pietätlos und mit einem kurzen Blick in Richtung des Grabes, wo der Geistliche die Seele des Verstorbenen gerade dem Herrn empfahl. Dann war auch schon das dumpfe Geräusch zu hören, mit dem drei Schäufelchen Erde auf den Sargdeckel am Grund der Grube fielen.
    In Zamorras Ohren hörte es sich an, als würde das Herz des Toten noch drei allerletzte Schläge tun.
    Was Professor Richard Teufelmans Herz jedoch gewiss nicht tun würde.
    Er war den - wie man gemeinhin annahm, aber wer wusste das schon genau zu sagen? - ›schönsten‹ Tod gestorben: am Abend in seinem Lesesessel eingeschlafen und am nächsten Morgen nicht mehr aufgewacht.
    Zamorra hätte nichts dagegen gehabt, irgendwann einmal auf dieselbe Weise dahinzuscheiden. Aber da würde der Wunsch Vater des Gedanken bleiben…
    »Albträumst du?«
    Zamorra spürte Nicoles Hand am Arm, die ihn sanft mit sich zog, ans Ende der Reihe jener, die etwas Erde auf den Sarg schippten.
    Eine ältere Dame, die sie beide nicht kannten, sprach sie an und lud sie zu der kleinen Feier mit Imbiss ein, die im Anschluss zu Ehren des verstorbenen Herrn Professors in einem der lokalen Hotels stattfand. Sie lehnten dankend ab, auf den langen Nachhauseweg verweisend, den sie vor sich hatten.
    Was immerhin in der Theorie stimmte - Château Montagne lag tatsächlich eine ganze Ecke entfernt von Lyon. Dass Zamorra und Nicole die ›Abkürzung‹ über die Regenbogenblumen genommen hatten, die in den Kellergewölben des Châteaus und versteckt im Stadtpark von Lyon wuchsen, verschwiegen sie nicht nur, um ihre Ausrede nicht auffliegen zu lassen. Immerhin, die Erwähnung von Blumen, mittels derer Magie man fast buchstäblich in Null
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