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0669 - Blackwood, der Geistermann

0669 - Blackwood, der Geistermann

Titel: 0669 - Blackwood, der Geistermann
Autoren: Jason Dark
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Entzugserscheinungen.
    Ich stand direkt an der rechten Budenseite. Der Verkäufer grinste mir zu. »Wollen Sie dazu auch einen Glühwein?«
    Ich schielte hoch, schluckte und brachte die Sprache auf ein Bier.
    »Das habe ich nicht. Außerdem ist es zu kalt.«
    »Schmeckt zur Bratwurst besser.«
    Der Mann schob die Pudelmütze zurück. »Kenner, wie?«
    »Ich war oft in Germany.«
    »Klar, dann sind Sie Fachmann.«
    Ich bestellte einen Glühwein, den er aus dem großen Kessel holte und in einen Pappbecher fließen ließ, bevor er sich um andere Kunden kümmerte.
    Es waren zwei Mädchen. Winterlich und trotzdem poppig angezogen. Zu den schwarzen Mänteln trugen sie große Mützen mit struppigen Fellhaaren. Das heißt, so sahen sie beim ersten Hinsehen aus. Beim zweiten stellte ich fest, dass die Haare echt waren. Sie hatten sie nur entsprechend gefärbt. Außerdem passten sie farblich zu den Handschuhen.
    Die beiden bestellten Glühwein. Ich hatte auch das Brötchen gegessen, reinigte meine Hände an einer Stoffserviette und warf sie zusammen mit dem kleinen Tablett in einen Papierkorb.
    Sie tranken das Zeug in kleinen Schlucken. Über den Rändern der Becher schwebten die Gesichter.
    Auf der Haut lag ein Schauer. Nicht allein wegen der Kälte sahen die Gesichter blass aus, das lag auch an der hellen Schminke, mit der sie ihre Haut eingerieben hatten.
    Wenn sie nicht tranken, unterhielten sie sich flüsternd. Eine kam auf mich zu, eine selbstgedrehte Zigarette in der Hand haltend. »Hast du mal Feuer?«
    »Sicher.«
    Das Mädchen hielt mir die Zigarette entgegen. Wir schauten uns an. Mich interessierte und faszinierte der Ausdruck ihrer Augen. Er kam mir auf eine ganz bestimmte Art und Weise sehr traurig vor.
    Die Flamme tanzte vor dem Glimmstängel. Die Kleine inhalierte tief, nickte mir zu und stellte eine Frage, mit der ich persönlich nicht zurechtkam.
    »Kommst du zu meiner Beerdigung, Mann?«
    Ich räusperte mich, bevor ich schluckte. »Wie bitte war das?«
    »Ob du zu meiner Beerdigung kommst?«
    Ich hob die Schultern. »Warum sollte ich?«
    »Weil ich sterben werde.«
    »Du bist noch jung, Mädchen.«
    Sie rauchte. Ihr Gesicht verlor vor den Schwaden seine Konturen. »Der Tod hat nichts mit dem Alter zu tun, Mister.«
    »Ach ja? Womit dann?«
    »Mit der Hölle.«
    Ich wollte nachfragen, aber die Kleine drehte sich ab, hakte sich bei ihrer stumm gebliebenen Freundin unter, bevor sie beide im nahen Gewühl verschwanden.
    Ich schaute in mein Glas, in dem sich noch ein roter Rest befand. Dann hob ich die Schultern.
    Der Verkäufer lachte. »Ja, das ist seltsam, wenn man sie so hört.«
    »Ich habe mich nicht getäuscht?«
    Er holte eine Wurst aus der viereckigen Pfanne und legte sie auf das Tablett. »Nein, ich war Zeuge, Mister. Die Kleine hat tatsächlich von ihrer Beerdigung gesprochen.«
    »Sind denn alle so?«
    Der Mann winkte ab und reichte eine Wurst der wartenden Kundin. »Unsinn, nur eine kleine Minderheit. Manchmal sehe ich sie hier vorbeischleichen. Die gehen wie die Toten.«
    Ich grinste schief. »Seit wann können Tote denn laufen?«
    »Schauen Sie sich mal die Zombie-Streifen an. Die alten, meine ich. So bewegen sie sich doch.«
    »Stimmt schon, aber das ist Film.«
    »Nie was von Grufties gehört?« Er beugte sich wieder vor. Mit einem Zahnstocher pulte er ein Stück Bratwurst aus seinem Gebiss. »Kennen Sie die, Mister?«
    »Ja, ich habe schon etwas davon gehört.«
    »Ich sehe alles, wissen Sie. Hier können Sie die Mitmenschen studieren. Hier sollen sich mal die Soziologen hinstellen, ist die beste Praxis, die man sich vorstellen kann.«
    »Glaube ich auch.«
    Unser Gespräch musste einschlafen, da mehrere Kunden auf einmal eintrafen und bedient werden wollten. Für mich wurde es zudem Zeit, mich an den Treffpunkt zu begeben.
    Ich war wirklich gespannt, was diese Kate Ferrer von mir wollte. Der Stimme nach hatte sie nicht so geklungen, als wäre sie eine Spinnerin. Wie die Frau aussah, wusste ich nicht. Sie würde mich schon finden, hatte sie gemeint.
    Ich schlenderte im Strom der Menschen. Dabei wunderte ich mich, wie viele Leute unterwegs waren. Die meisten mussten Urlaub haben, doch gegen Abend würde sich das alles noch vervielfachen, dann strömten die berufstätigen Käufer los, um die Tüten mit Geschenken zu füllen. Dabei stöhnten die Londoner Geschäftsleute über schlechte Umsätze. Manche Kaufhäuser hatten sogar am Sonntag geöffnet.
    Über London lag nach wie vor der Schneehimmel.
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