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061 - Der Fuerst der Finsternis

061 - Der Fuerst der Finsternis

Titel: 061 - Der Fuerst der Finsternis
Autoren: Brian Ball
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durchnäßt“, rief sie und half ihm aus dem Anorak. „Sie zittern vor Kälte. Sam, bring ihm eine Decke. Er muß sofort aus den nassen Kleidern raus. Wie wär’s mit einem Abendessen, wenn Sie ohnedies hierbleiben müssen? Heute nacht werden Sie sicherlich keine Möglichkeit mehr finden können, nach Sheffield zurückzukehren. Es wäre auch ein wahres Wunder, wenn die Straße nach Manchester offen geblieben ist. Na, mach schon, Sam.“
    Raybould ging, um die Decke zu holen.
    „Speck und Wurst?“ fragte Mrs. Raybould. „Sie waren doch schon einmal hier, nicht wahr?“
    „Ein paarmal.“
    Jerry schloß die Augen. Er war todmüde. Mit Mühe gelang es ihm, das nasse Hemd und die mit Wasser vollgesogene Hose auszuziehen. Die rauhe Militärdecke kratzte seine Haut.
    Er zeigte auf die Figuren des Kohlenbehälters. „Das Ding hab’ ich hier nicht gesehen, als ich letztens hier war.“
    „Der alte Kasten ging aus dem Leim, deshalb benütze ich jetzt diesen. Er ist ganz schön schwer.“
    „Das Relief ist schön.“
    „Schon möglich. Das Ding ist aus dem Schloß.“
    „Sehr ungewöhnliche Arbeit. Die Figuren sind nicht ganz naturalistisch. Sie sind gesichtslos, die Körper sind nur angedeutet. Scheint impressionistisch zu sein. Man glaubt förmlich, die Figuren tanzen zu sehen.“
    „Sind Sie Student?“ fragte Raybould. „Wenn man Sie so reden hört, ist man überzeugt, daß Sie nur ein Student sein können. Von der Universität, eh? Ein bißchen alt sind Sie zwar schon für einen Studenten, aber …“
    „Ich bin an der Universität.“
    „So?“
    Raybould setzte sich Jerry gegenüber, und beide betrachteten sie die Reliefs.
    „Ich mache Studien für mein Doktorat.“
    „Ich mache auch ein bißchen Studien. So auf eigene Faust. Geschichte interessiert mich ganz besonders.“
    „Sie meinen, Sie betreiben private Forschungen.“
    „Ha?“
    „Geschichtliche.“
    Jerry gähnte. Der Duft von gebratenem Speck wehte aus der Küche. „Ich bin eben dabei, Untersuchungen über verschwundene Dörfer durchzuführen.“
    „Verschwundene Dörfer? Die können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben“, meinte Raybould belustigt.
    „Nein, natürlich nicht. Man hat ganz einfach auf die alten Reste draufgebaut, oder die Ruinen zerfielen zu Staub im Lauf der Jahrhunderte.“
    „So?“ sagte Raybould. Man sah, daß ihn die Sache nicht besonders interessierte. Er deutete auf die Mauer hinter dem offenen Kamin. „Die ist alt. Ein Teil vom alten Schloß, ehe es von den Bomben zerstört wurde.“
    Jerrys berufliches Interesse wurde wach.
    „Was für ein Schloß?“
    „Dieses hier. Deshalb heißt auch das Rasthaus‚ Schloßcafe’.“
    Jerry dachte zurück an die Szene kurz vor Weihnachten, als Professor Bruce de Matthieu, dieser fette, alte Bastard mit der öligen Stimme, ihm seine Arbeit wieder zurückgab mit den Worten:‚ Es ist ja recht schön und gut, über verschwundene Dörfer zu schreiben, Howard, aber wäre es nicht an der Zeit, mal eins oder zwei zu finden?’ Und hier war so ein verdammtes Schloß, und er hatte es nicht gewußt.
    Sam trug auf, und Jerry stürzte sich mit Heißhunger auf das Gebotene. Eine Weile sahen ihm die Rayboulds zu, dann erhob sich Mrs. Raybould und trat ans Fenster.
    „Nicht einmal die Hand kann man vor den Augen sehen!“ rief sie. „Bald werden auch die Telefonleitungen zusammenbrechen, der Strom wird ausfallen, und wir sitzen mindestens drei Tage hier fest, von der Außenwelt abgeschnitten. Was meinst du, Sani?“
    „So ungefähr wird es sein“, bestätigte Raybould.
    Jerry sah auf die Figuren, die wie im Tanz erstarrt schienen. Ein mittelalterliches Schloß direkt vor seiner Nase, und er hatte von seiner Existenz nichts geahnt. Mit vollem Mund fragte er Raybould: „Wann wurde das Schloß erbaut?“
    Raybould zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“
    „Sie kommen bestimmt nicht durch“, unterbrach Mrs. Raybould das Gespräch der beiden Männer. „Dieses Weibsstück und Bill mit seinem Lastwagen. Nie kommen sie durch. Es schneit bestimmt noch drei Tage so weiter.“
    Jerry war so müde, daß er kaum noch zusammenhängend reden konnte.
    Die Eingangstür schwang plötzlich auf und ließ eine Wolke von Schnee in den Raum herein. Eine schneebedeckte Gestalt mühte sich mit aller Kraft, gegen den Sturm ankämpfend wieder die Tür zu schließen.
    „Nur das nicht“, rief Mrs. Raybold laut und vernehmlich.
    „Wo sollten wir denn sonst hin!“ schrie Brenda. „Er blieb
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