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059 - Der Preller

059 - Der Preller

Titel: 059 - Der Preller
Autoren: Edgar Wallace
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nahm auf einem in der Nähe des Kamins stehenden Stuhl Platz. »Übrigens, Anthony, ich habe heute morgen auch von dir etwas in der Zeitung gelesen: Weißt du, wie sie dich nennen? Den Preller.«
    »Dieser Spitzname ist verdammt gut gewählt«, entgegnete Anthony in aller Ruhe. »Ich betrachte mich als ›Wohltäter der Menschheit‹«, fügte er allen Ernstes hinzu. »Erstens beschränke ich meine prellende Tätigkeit auf Ganoven, und zweitens habe ich dich und Sandy aus Not und Sorge gerettet. Man kann ja nicht wissen, ob ihr beide nicht eine verbrecherische Laufbahn eingeschlagen hättet.«
    Paul fuhr sich mit der schmalen, weißen Hand über sein sorgfältig gelegtes, glänzendes Haar.
    »Ich zweifle daran«, meinte er, »daß ich mich verbrecherischem Broterwerb zugewandt hätte; aber ich kann dir wenigstens insoweit beistimmen, als ich zugeben muß, daß ich die verdammte tägliche Plackerei ziemlich satt hatte. Was Sandy anbetrifft, nun, bei ihm zweifle ich nicht daran, daß er sich vielleicht einen Revolver gekauft und damit die Bank von England überfallen hätte. Bisher hast du jedenfalls nichts begangen, was mein Gewissen belastet hätte.«
    »Und daß es nie geschehen wird, darauf kannst du dich verlassen«, versicherte sein Freund. »Jeder einzelne von denen, die ich erleichtert habe, war ein Mensch, dessen Gemeinheit und Niederträchtigkeit kein anderes Los verdiente.«
    »Stimmt.«
    »Nun, und was diesen Mr. Mottenstein betrifft, Paul, so fühle ich auch in diesem Fall keinerlei Gewissensbisse. Gewiß, er war schwer heranzuholen, und wie du weißt, ist die Polizei schon seit Jahren vergeblich hinter ihm her. Auch für mich wird es kein Wurstessen sein, wenn ich versuchen werde, ihn ein wenig zur Ader zu lassen.«
    »Warum glaubst du das?« erkundigte sich Paul und blickte von seiner Zeitung auf.
    »Erstens hat man ihn bereits vor mir gewarnt.«
    »Vor dir?«
    Sein Freund nickte.
    »Seit einer Woche versuche ich bei ihm meine Tricks«, sagte er seufzend, »aber bis jetzt immer vergeblich, weil er mich in Verdacht hat. Du weißt doch, Paul, daß es in London kaum einen Ganoven gibt, der nicht vor mir auf dem Quivive wäre.«
    »Möchtest du mir nicht sagen, warum du gerade Mottenstein als passendes Opfer ausgewählt hast, Anthony?«
    »Du willst wohl, wenn ich deine Neugierde befriedige, dein Gewissen besänftigen, wie?«
    »Stimmt!«
    »Zufällig werde ich deine Hilfe in diesem Fall gar nicht brauchen«, beruhigte ihn der Freund. »Die ganze Sache ist einfach genug. Mottenstein ist, wie du vielleicht weißt, ein Freihandelsmakler, der seine Geschäfte durch Inserate einleitet. Er ist einer von denen, die armen, unschuldigen Spekulanten einreden, sie könnten aus hundert Pfund so leicht zweihundert machen, wie man sich einen neuen Hut kauft. Im allgemeinen haben ja die Außenseiterspekulanten mit solchen Leuten wie Mottenstein nur ungern etwas zu tun. Ganz besonders trifft das aber bei unserem künftigen Opfer zu, da eine Finanzzeitung offen vor ihm gewarnt hat. Aber Freund Mottenstein hat die Kunden seiner besten Absichten ihnen gegenüber versichert; er hat ihnen lange Briefe geschrieben, in denen er ihnen mitteilte, daß er ihnen davon abrate, ihr ganzes Vermögen auf einmal einer immerhin zweifelhaften Spekulation auszusetzen. Er ziehe es vor, wenn sie ihm nur kleinere Beträge anvertrauten, da er die Verantwortung für größere Spekulationen nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne. Resultat: Jauchzen und ›Seht ihr, was ich euch gesagt habe?‹ bei seinen Kunden. Sie schicken ihm also nur kleinere Beträge, und ihr Vertrauen wird auch nicht mißbraucht. Reingewinne, die zu den Anlagekapitalien in gar keinem Verhältnis stehen, fangen an einzulaufen, und alle fallen auf die Knie und danken Gott, daß er ihnen einen ehrlichen Menschen wie Mottenstein beschert habe.«
    »Und dann?« fragte Paul gespannt.
    »Nun, dann laufen bei Mottenstein Briefe in Unmengen ein. Die Leute haben am Köder geleckt. Nun wollen sie größere Beträge anlegen, aber was tut er? Er schreibt ihnen zurück, die große Verantwortung würde ihm seinen guten Nachtschlaf rauben, er könne sich nicht mit so vielen Dingen belasten, empfehle ihnen aber die Firma Alexander McDougal, Mackintosh & Glenstuart - ehrliche, wohlbekannte, schottische Namen -, die gut eingeführte, konservative Makler irgendwo an einer nordenglischen Börse seien.«
    Paul nickte verständnisvoll. »Und die Firma ›Alexander und noch etwas‹ ist in
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