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0559 - Kapitän Sensenmann

0559 - Kapitän Sensenmann

Titel: 0559 - Kapitän Sensenmann
Autoren: Jason Dark
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»Jedenfalls ist der Nebel wohl etwas ungewöhnlich.«
    »Nicht für diese Jahreszeit.«
    Suko bewegte sich neben mir. Er schaute mal nach rechts, dann wieder nach links und suchte praktisch den Rand dieses Dunstgebiets über dem Wasser ab. Doch er entdeckte nichts. Die hellgraue Masse trieb weiterhin durch die Finsternis, ohne irgend etwas preiszugeben. Aber wir näherten uns der Wand.
    Der Wind kam mir nicht mehr so kühl oder kalt vor wie zu Beginn.
    Vielleicht hatten wir uns schon daran gewöhnt.
    Ich zuckte wie aus heiterem Himmel zusammen, als rechts neben mir ein Schatten erschien, der sich in der Luft bewegte. Es war ein Vogel, der sich die Reling als Ziel ausgesucht hatte. Darauf nahm er Platz.
    Eine Möwe, hätte man annehmen können, doch es war ein Papagei, den wir auch an seiner Kopfform erkannten, die aussah, als wäre sie mit einer Haube verlängert worden.
    Suko hatte den Vogel ebenfalls erkannt. »Wo kommt der denn her?«
    »Frag ihn mal.« Ich ging auf das Tier zu, wollte es anfassen oder streicheln, doch der Papagei hatte keine Lust dazu und war auch viel schneller als ich. Bevor ich ihn noch berühren konnte, stieß er sich ab und stieg auf.
    Wir verfolgten ihn, sahen ihn flattern und hörten auch sein Krächzen, das mir vorkam wie ein hämisches Lachen.
    »Der amüsierte sich über uns.« Suko schüttelte den Kopf, sagte jedoch nichts mehr, als der Papagei zu lachen aufhörte und zu sprechen anfing. Er war zu verstehen, leider nur mühsam.
    »Hängt sie an die Rah! Hängt sie an die Rah. Sie sollen verfaulen. Das Fleisch wird ihnen von den Knochen fallen. Hängt sie an die Rah, hängt sie an die Rah…!«
    Er startete wieder und zog über unseren Köpfen seine Kreise. Die »Stimme« blieb, verlor jedoch an Lautstärke, und sehr bald schon war der Vogel von der Dunkelheit verschluckt worden. Wir hörten ihn auch nicht mehr schreien.
    Suko schüttelte den Kopf. »Verstehst du das, John?«
    »Bis jetzt nicht.«
    »Man will uns an die Rah hängen.«
    »Aber nicht der Papagei.«
    Suko lachte. »Das glaube ich auch. Wer dann? Unser Freund, der unbekannte Kapitän?«
    »Keine Ahnung.«
    Wir vergaßen den Papagei nicht, aber wir kümmerten uns wieder um den Nebel.
    Was mich dabei irritierte, war die Tatsache, daß die Masse sehr konzentriert blieb und nicht ausuferte. Sie schien von unsichtbaren Kräften zusammengehalten zu werden. Es trieben keine Schwaden seitlich ab und auch nicht nach vorn auf unser allmählich heranstampfendes Schiff zu. Alles blieb kompakt.
    »Ich bin sicher«, sagte Suko, »daß da einiges nicht stimmt. Hoffentlich ist es nicht der Todesnebel.«
    Mein Freund hatte sehr ernst gesprochen. Sicherlich hatte er an einen Fall gedacht, den wir gemeinsam erlebt hatten und der schon einige Jahre zurücklag. Da war es auch um ein geheimnisvolles Schiff gegangen und um Nebel, der sich letztendlich als der Todesnebel herausgestellt hatte. Wer damit in Berührung kam, war verloren, denn dieser Nebel löste die Haut von den Knochen eines Menschen und ließ die Opfer als blanke Skelette zurück.
    Mein Kreuz schaffte es, den Nebel aufzuhalten, ansonsten war es schwer, eine Abwehr dagegen zu finden.
    »Sollen wir die Besatzung warnen, John?«
    »Ich weiß nicht. Noch haben wir keinen Beweis. Außerdem denke ich an die vier toten Fischer. Man fand ihre Körper, aber nicht ihre Skelette. Ich gehe das Risiko ein.«
    »Abgemacht, ich auch.«
    Es sah so aus, als würde sich die Nebelwand unserem Schiff entgegenbewegen. Möglicherweise war sie auch in Bewegung. Ich hatte wieder das Glas vor die Augen gedrückt und empfand sie nicht einmal als sehr dicht. Man konnte sie als locker ansehen und an gewissen Stellen auch durchsichtig.
    Lautlos bewegten wir uns aufeinander zu. Es war eine unheimliche Szenerie, denn der Nebel sah aus wie ein gewaltiges Viereck, wie ein Klotz aus grauer Masse.
    Noch immer wühlte die lange Dünung gegen den Bug und wurde zu Gischtstreifen, die an der Außenwand des Schiffes in die Höhe kletterten, uns benetzten und auch ihre Tropfen auf der Optik der Gläser hinterließen, so daß unser Blick verschwommen wurde.
    Ich reinigte mein Glas. Als ich es wieder vor die Augen preßte, hatten wir den Nebel erreicht.
    Das Patrouillenboot glitt hinein wie ein Segler. Das Geräusch des Motors, das Rauschen des Wassers, das harte Spritzen der Bugwelle, all das bekam eine andere Klangfarbe.
    Der Nebel hatte uns in eine völlig andere Welt entführt, in die Welt des Schweigens, der
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