054 - Gucumatz der Allmächtige
Sein Taxi wartete noch.
»Fahren Sie heim. Nehmen Sie mein Taxi«, sagte er zu Daphne und fragte sie, wo sie wohnte.
Sie hatte eine kleine Wohnung in der Nähe der Baker Street in einer Gegend, wo die Straßensänger zu Hause waren.
Peter drückte dem Fahrer etwas Geld in die Hand, gab ihm seine Anweisungen und trat an die geschlossene Tür des Wagens.
» Darf ich Sie heute abend besuchen? Sie leben doch sicher mit der unvermeidlichen Tante zusammen?«
»Weder mit der unvermeidlichen Tante noch mit sonst jemandem«, entgegnete sie. »Ich lebe ganz allein. Sie können mich nur auf die Gefahr hin besuchen, daß ich meinen guten Ruf verliere.«
Im ersten Moment glaubte er, sie spräche im Ernst, aber dann lachte sie. »Kommen Sie ruhig«, sagte sie und fügte hinzu: »Aber ich halte Sie von Ihrer Arbeit ab. «
Er wartete, bis das Taxi gewendet hatte und verschwunden war, ehe er sich durch die kleine Menge vor dem Haus drängte und die Treppe hinauflief. Im Vorsaal sah er die bullige Gestalt Chefinspektor Clarkes, der ihn im selben Moment bemerkte und herauskam.
»Ich kann Ihnen gar nichts sagen, Dewin«, erklärte er. »Wie haben Sie überhaupt von der Sache Wind bekommen? Wir sind doch selbst eben erst benachrichtigt worden.«
»Ein kleines Vögelchen hat mir was gezwitschert«, antwortete Peter. »Ist er tot?«
Clarke nickte. »Sie können mich morgen besuchen«, sagte er in einem Ton, der deutlich zu verstehen gab, daß jeder Widerspruch zwecklos war.
Doch Peter war bereits weit gründlicher informiert, als der Chefinspektor ahnte. Er wußte den Namen des Opfers, eine wichtige Einzelheit, wenn man über einen Mord berichten will, und er wußte, wo der Tote gewohnt hatte. Er war selbst mehrmals in der Wohnung in Bloomsbury gewesen, wo Farmer, nur von einer Haushälterin versorgt, allein gelebt hatte.
Journalisten sind durchaus ehrenwerte Menschen, aber wenn sie einem Knüller auf der Spur sind, ist alles anders. Darum schnappte sich Peter ein Taxi und fuhr, in der Absicht, unbedingt vor der Polizei die Wohnung Farmers zu erreichen, nach Bloomsbury hinaus. Irgendwie mußte es ihm gelingen, einen Hinweis zu finden, der ihm etwas über die Hintergründe des Verbrechens sagen konnte, und wenn er dafür seinen Ruf als ehrlicher und aufrichtiger Reporter verlor.
Die Haushälterin war eine alte Bekannte von ihm, und zu seinem Glück wollte sie gerade ausgehen, als er kam. Sie wollte ins Kino, sagte sie. Mr. Farmer würde erst spät nach Hause kommen, und außerdem wäre es ihr freier Abend.
»Ist schon in Ordnung, Mrs. Curtin«, versicherte Peter. »Ich warte auf ihn.«
Die Haushälterin ließ ihn ohne Bedenken in die Wohnung. Es war nicht ungewöhnlich, daß im Hause Farmer die Gäste vor dem Gastgeber eintrafen, und Peter genoß Vorrechte, die anderen Freunden Farmers verwehrt waren.
Er wartete, bis sich die Tür hinter der Frau geschlossen hatte, dann machte er sich daran, in aller Eile die Wohnung zu durchsuchen, die aus vier Zimmern, Küche und Bad bestand.
Das Eßzimmer gleich neben der Küche brachte ihm nichts außer neuem Respekt für Farmers Kennerschaft, was guten Wein anging. Daneben war das Zimmer der Haushälterin, in das er gar nicht erst hineinging. Die beiden anderen Räume waren Farmers Schlafzimmer sowie das Wohn- und Arbeitszimmer.
Dies letztere war der größte Raum in der Wohnung, teuer, aber abscheulich eingerichtet. In einer Ecke des Zimmers, in auffallendem Kontrast zu dem Gold und Brokat der anderen Möbelstücke, stand ein schlichter Kiefernschreibtisch mit Rollaufsatz. Peter versuchte den Rollschrank zu öffnen, doch er war abgeschlossen. Aber schlichte Kiefernschreibtische mit Rollaufsatz werden nach einem festen Muster gebaut, und schon mit dem ersten von Peters Schlüsseln ließ sich das Schloß öffnen. Er schob die Rolltür hoch und begann eine systematische Durchsuchung des Schreibtischs.
Farmer war zwar kein gebildeter Mann gewesen, aber offensichtlich ein ordentlicher. In den einzelnen Fächern lagen sauber gestapelt die Geschäftsunterlagen der einzelnen Kneipen und anderer Unternehmen, die Farmer betrieben hatte. Auch die Bücher, die Farmer geführt hatte, waren da. Aber all das interessierte Peter nicht so sehr wie eine Schublade, die offensichtlich nachträglich in den Schreibtisch eingebaut worden war. Sie war durch ein Spezialschloß gesichert, jedoch - Peter pries den glücklichen Zufall - der Schlüssel steckte. Nach dem zu urteilen, was er in der Schublade
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