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053 - Schrei, wenn dich der Hexentöter würgt

053 - Schrei, wenn dich der Hexentöter würgt

Titel: 053 - Schrei, wenn dich der Hexentöter würgt
Autoren: Larry Brent
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überquerte. Sie machte sich nicht erst die Mühe, den Weg zwischen den
Feldern zu suchen. Sie rannte quer über den harten, aufgeworfenen Boden. Das
kostete Kraft und Zeit. Die Fliehende merkte, wie ihre Kräfte nachließen, wie
sie nach vorn taumelte, nicht mehr fähig war, die Muskeln zu spannen. Sie waren
verkrampft, schwer, ihr Körper schien plötzlich wie mit einer Zentnerlast
beladen.
    „Komm, kleine blonde Hexe“, vernahm sie wieder die
Stimme hinter sich. Der fremdartige Akzent irritierte sie. Angelika hatte
Germanistik studiert, ehe sie das Studium nach drei Semestern an den Nagel
hängte und sich der Archäologie zuwandte. Sie schüttelte den Kopf, daß die
langen blonden Haare flogen. Die Sprache war altdeutsch. Sie erkannte die
typischen Merkmale sofort.
    In dieser Sprache redete heute kein Mensch mehr. Es
war, als ob ein Wesen aus der Vergangenheit, aus dem finsteren Mittelalter, zu
gespenstischem und unbegreiflichem Leben erwacht sei.
    Der Schweiß rann der jungen Deutschen über die Stirn.
Ihr ganzer Körper war heiß und dampfte.
    Ich werde wahnsinnig , hämmerte
es in ihrem Bewußtsein. Ihre Muskeln und Sehnen spannten sich, und es wurde ihr
erst jetzt bewußt, daß sie nur noch lief und nicht mehr rannte, daß sie nach
vorn taumelte. Das logische Denken hatte ausgesetzt. Angelika war unfähig,
einen klaren Gedanken zu fassen. „Das kann nicht wahr sein! Ich verwechsle die
Dinge. Es ist doch alles ganz anders. Sicher ist alles ganz anders. Eine Halluzination
– eine, wie sie nicht schlimmer sein könnte. Ich fühle, höre und sehe sie... furchtbar...“
    „... du bist nicht die erste, die ich dahin befördere,
wohin sie gehört. Hexen gehen alle den gleichen Weg. Du bist schön – vielleicht
ließe ich auch mit mir reden. Willst du dein Leben retten ?“
    Die Stimme war jetzt unmittelbar hinter ihr.
    Angelika stöhnte, torkelte zitternd weiter und kam
kaum noch vom Fleck. Der Weg erschien ihr mit einem Mal endlos. Vorhin waren
sie im Handumdrehen auf dem Hügel und in dem kleinen Wäldchen gewesen. Aber
jetzt nahm der Rückweg überhaupt kein Ende. Hatte sie sich verlaufen?
    Die Umgebung erschien ihr unwirklich. Heinz liebte –
nein, hatte diese düstere, eigenwillige Landschaft geliebt, und das war
mit ein Grund, warum er sich hier ein paar Tage länger hatte aufhalten wollen.
Seine Absicht war es, Land und Leute wirklich kennenzulernen. Nicht als Tourist,
der in einem kleinen Hotel wohnte und nichts weiter zu sehen bekam als die
nähere Umgebung und die Menschen, die unmittelbar für den Hotelbetrieb sorgten.
Heinz Mertens wollte Kontakt mit dem Mann auf der Straße und dem Bauer auf dem
Feld.
    Seine Absicht war es auch, mit einer typischen
friesischen Familie, die seit Generationen hier ansässig war, Beziehungen
aufzunehmen. Heinz Mertens war ein vielseitig interessierter junger Mensch
gewesen.
    Er wollte wie ein Detektiv, der eine heiße Spur
gefunden hatte, einem Gerücht nachgehen, das kürzlich die Schlagzeilen der
Tageszeitungen nährte: Hier in dieser Gegend würden manche unliebsame
Dorfbewohner noch behandelt, als wären sie Menschen zweiter Klasse. Es gab da
den Fall eines Bauern, dem eine Kuh eingegangen war. Der Mann beschuldigte daraufhin
eine verhaßte Nachbarin, die er auf den Tod nicht ausstehen konnte, daß sie das
Tier verhext habe. Eine Welle der Entrüstung war durch die Bundesrepublik
gegangen, kirchliche und weltliche Kreise nahmen sich sogar des Falles an.
Umsonst! Die Frau lebte seit jener Zeit wie isoliert, niemand kümmerte sich
mehr um sie, niemand sprach mehr mit ihr. Das Gerücht wurde zu einem Fluch. Man
wich der Unglücklichen aus, wo immer man sie sah, man bekreuzigte sich, man
spuckte sie an und warf mit Steinen nach ihr. Das Wort Hexe war auch
gefallen. Und die Szene, die sie eben gesehen hatte, erinnerte an das
Verbrennen einer Hexe...
    Plötzlich fühlte Angelika lange, gierige Hände, die
nach ihr griffen und sie zu Boden rissen. Das Mädchen war eine Sekunde lang vor
Entsetzen wie gelähmt. Dann reagierte die Studentin mit dem Mut der
Verzweiflung, ohne sich dabei etwas zu denken.
    Sie trat nach dem Schatten und krallte ihre Hände in
das fratzenhafte Gesicht. Wie hinter einer Nebelwand nahm sie die Gestalt wahr,
die sich ihrer zu bemächtigen versuchte. Die Gestalt war groß und hager; unter
dem breitrandigen, altmodischen Schlapphut quoll das lange, ungepflegte, fast
bis zur Schulter reichende Haar hervor, so daß man im ersten Augenblick
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