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0515 - Schreie aus dem Werwolf-Brunnen

0515 - Schreie aus dem Werwolf-Brunnen

Titel: 0515 - Schreie aus dem Werwolf-Brunnen
Autoren: Jason Dark
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Jedenfalls haßt er sie. Er sieht sie lieber tot als lebendig. Als Werwolf muß er Opfer haben…«
    »Und die holt er sich bei den Asylanten, den ärmsten…«
    »So ist es.«
    Ich hatte den Satz kaum ausgesprochen, als sich Suko bereits auf dem Weg zur Tür befand…
    ***
    Ho Chan hatte darum gebeten, allein gelassen zu werden. Er saß in seinem Raum, den kleinen Anfall von Schwäche hatte er überwunden, aber trotz der wärmenden Kerzenflammen fror er. Die Kälte drang durch die Mauern. Er wickelte die Decke noch fester um seinen Körper, ohne daß sie richtig wärmte. Er hockte auf den Kissen, hielt zwischen seinen mageren Fingern den dünnen Schaft der Opiumpfeife und schaute auf das kleine Kügelchen, das aus dem Pfeifenkopf hervorlugte.
    Ho Chan dachte nach.
    Er war derjenige gewesen, der die anderen dazu überredet hatte, die Heimat zu verlassen, weil der Druck einfach zu groß geworden war. Sie waren in die Fremde gegangen, hatten Strapazen auf sich genommen, der Hölle den Rücken gekehrt und waren in einer noch schlimmeren Hölle gelandet. Eine zweite Heimat hatten sie finden wollen. Ihr Lohn jedoch war Grauen, Tod und Schrecken gewesen.
    Es gab jemand im Ort, der sie haßte wie die Pest. Eine Person ohne Menschlichkeit, ohne Gefühl, ohne Moral.
    D. C. Redburn!
    Der alte Ho Chan hatte diesem Mann gegenübergestanden, und er hatte gespürt, daß er etwas anderes war als die übrigen Bewohner des Ortes. Redburn besaß zwar einen menschlichen Körper, aber ihm fehlte die Seele. Er war nur eine Marionette, eine Art von künstlichem Individuum, das existierte, aber nicht lebte, so wie Ho Chan es von einem Menschen erwartete.
    Man hatte ihn noch nach den alten Regeln der Weisen erzogen.
    Konfuzius und seine Lehren waren ihm ein Begriff. Wer nach ihnen sein Leben ausrichtete, konnte als Mensch angesehen werden, der befand sich auf dem Weg in die Glückseligkeit, der setzte sich mit anderen Menschen auseinander und spürte genau, ob sie gut oder böse waren.
    Redburn war böse!
    Er war ein Teufel, Er strahlte etwas ab, das einen sensiblen Menschen frösteln lassen mußte. Er wollte den Haß und das Grauen über die Welt bringen und die ausmerzen, die ihm im Wege standen.
    Ho Chan nickte, als er mit seinen Gedanken so weit gekommen war. Redburn war ein Vernichter, ein Zerstörer, man mußte sich ihm in den Weg stellen, sonst richtete er noch mehr Unheil an.
    Daß der Plan, Suko in eine Art von Falle zu locken, auch von ihm stammte, dafür schämte er sich jetzt. Er würde den »Vetter«, falls es noch möglich war, um Verzeihung bitten. Mehr konnte er nicht tun.
    Außerdem fühlte er sich müde und leer. Das war nicht immer so, aber die negativen Tage überwogen in der letzten Zeit. Seine Stunden waren schon gezählt. Er konnte sich kaum noch vorstellen, die große Stadt London zu sehen. Wahrscheinlich würde er in dieser fremden Einöde, sein Leben beenden.
    Ho Chan seufzte. Momentan befand er sich allein in dieser eiskalten Baracke. Seine jüngeren Freunde waren mit Suko und diesem John Sinclair in den Schacht gestiegen, nur Li war noch in den Obergeschossen zurückgeblieben.
    Und Li kam auch.
    Noch bevor er den Raum betrat, identifizierte ihn der alte Ho Chan an seinen Schritten.
    Es ging Li nicht gut. Zwei Kugeln hatten ihn erwischt. Die eine nur gestreift, die andere aber steckte noch in der Schulter. Er hatte sich aus Lumpen eine Schlinge gedreht, in der sein Arm hing. Sein Gesicht war bleich geworden, auf der Stirn glitzerten die Schweißperlen, und er mußte sich mit dem Rücken an der Wand abstützen.
    Ho Chan schaute ihm ins Gesicht. »Es geht dir nicht gut, mein Freund.«
    »Vielen geht es schlechter«, erwiderte Li leise.
    »Ich weiß deine Antwort zu schätzen. Trotzdem solltest du zu einem Arzt gehen, der dir die Kugel herausoperiert.«
    »Ein Arzt?« Er lachte auf. »Gibt es in diesem haßerfüllten Dorf einen Arzt, der einen Menschen wie mich behandelt? Gibt es ihn?«
    »Dann fahren wir woanders hin.«
    Li wischte mit der gesunden Hand über seine Stirn. »Ja, woanders. Aber später, viel später. Morgen vielleicht…«
    »Hast du das Heulen gehört?«
    »Es war nicht zu überhören, Ho Chan. Die Bestie ist wieder unterwegs. Sie braucht die Nacht und den Vollmond.«
    »Wir werden sie schon stellen!«
    »Sind wir nicht zu schwach?«
    »Wir haben Hilfe, Ho Chan.«
    »Ja, Suko und John Sinclair. Aber die beiden müssen den anderen erst finden. Er wird es verstehen, sich zu verbergen. Wir werden ihm
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