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0444 - Die Nonne mit der Teufelsklaue

0444 - Die Nonne mit der Teufelsklaue

Titel: 0444 - Die Nonne mit der Teufelsklaue
Autoren: Jason Dark
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keinen Schlüssel besaß, mußte er über das Tor klettern. Es bereitete ihm keine Schwierigkeiten. Auf der anderen Seite landete er im weichen Gras.
    Er schaute nach vorn.
    Stumm standen die Grabsteine. Wie letzte Grüße der Toten an die noch Lebenden. Auch hier wallte der Nebel. Er war aber nicht dicht.
    Man mußte schon sehr genau hinsehen, um die feinen Schleier erkennen zu können.
    Die Menschen im nahen Dorf waren recht arm. Dementsprechend sahen die Grabsteine aus. Es gab keine prächtig herausgeputzten Gräber, alles war normal. Schlichte Steine oder Kreuze standen an den Kopfenden.
    Auch die Gruften sahen nicht repräsentativ aus. Sie paßten sich dem normalen Friedhofsflair an.
    Rudy nahm den breitesten Weg. Der teilte das Gebiet praktisch in zwei Hälften. Um die Gruft zu erreichen, in der angeblich die Nonne lag, mußte er nach rechts.
    Dort stand sie, nicht weit von einer Kapelle entfernt, in der auch die Totenmessen gelesen wurden.
    Die Kapelle war aus Holz gebaut und hatte sogar einen kleinen Turm mit einer Glocke.
    Wenn sie bimmelte, bekamen die meisten Menschen eine Gänsehaut.
    Jetzt war die Glocke still. Sie paßte sich der drückenden Ruhe des kleinen Friedhofs an.
    Feuchtigkeit schwebte in der Luft. Die Bäume und Büsche gaben einen intensiven Geruch ab. Vom Moor her wehte Fäulnis herüber, die richtige Stimmung für einen nächtlichen Friedhof, über dem ein düsterer Himmel ohne Sterne stand.
    Auch für Rudy war der nächtliche Besuch auf dem Friedhof alles andere als angenehm, aber er wollte jetzt nicht mehr zurück, das war er seinem Freund, dem Förster, schuldig.
    Zwischen den Grabreihen schritt er her. Der schmale Pfad war mit Gras bewachsen.
    Die Kapelle war noch nicht zu sehen. Sie lag verborgen hinter drei hohen Erlen, nur der Turm schaute hervor. Auf seiner Spitze zeichnete sich schwach ein dunkles Eisenkreuz ab.
    In der Nähe der Erlen lag auch die Gruft, die der Mönch besuchen wollte. Aber dazu kam er nicht mehr.
    Plötzlich war alles anders.
    Zuerst glaubte er an eine Täuschung, als er rechts von sich die Bewegung sah. Als er genauer hinblickte, weiteten sich seine Augen.
    Da schlich jemand über den Gottesacker.
    Rudy tat das einzige Richtige in seiner Lage. Er lief bis zum Stamm der nächsten Erle und verbarg sich dort. Mit angehaltenem Atem wartete er ab, doch das Geräusch irgendwelcher Tritte vernahm er nicht. Dabei war er überzeugt davon, sich nicht getäuscht zu haben.
    Er hatte die Gestalt gesehen.
    Noch einmal dachte er über seine Entdeckung nach und stellte sich die Richtung vor, in die die Gestalt gegangen war. Wenn er den Weg in Gedanken weiter verfolgte, war sie auf die Kapelle zugelaufen. Als seine Gedanken so weit fortgeschritten waren, löste er sich aus seiner Deckung, damit er den Eingang der alten Holzkapelle im Auge behalten konnte.
    Da ging eine Gestalt!
    Ein Geist, ein Schemen – die Nonne!
    Das mußte sie einfach sein, denn ein Mensch hatte sich bestimmt nicht verkleidet. Die Nonne berührte mit ihren Füßen nicht einmal den Boden, sie schwebte über den Graßspitzen dahin, als würde sie vom Wind geschoben. Und sie sah so aus, wie man sie beschrieben hatte.
    Eine schneeweiße Tracht trug sie, die in der Dunkelheit einen leichenblassen Glanz angenommen hatte. Auch der Kopf war bedeckt.
    Allerdings nicht von einer steifen Haube. Es sah mehr so aus, als hätte sie ein Tuch um ihren Schädel geschlungen.
    Die Nonne wandte ihm das Profil zu. Eigentlich hätte die Hand aus dem Ärmel stoßen müssen, die aber war nicht zu sehen. Wahrscheinlich hatte die Nonne den Arm angewinkelt, und sicherlich auch nicht ohne Grund. Sie blieb nicht lange im Blickfeld des Mönchs, denn wenige Sekunden später tauchte sie in den Schatten des Kapelleneingangs.
    Dann verschwand sie in der kleinen Kirche.
    Aber Rudy hatte nicht gehört, daß die Tür geöffnet worden wäre.
    Möglicherweise konnte die unheimliche Nonne sogar durch Wände gehen. Einen Geist sollte dies vor keine Probleme stellen.
    Rudy ließ eine Minute verstreichen. Er war ins Schwitzen geraten.
    Der Anblick dieser Frau hatte ihn tief getroffen. Bisher hatte er nicht an Geister geglaubt, doch diese Entdeckung hier hatte ihn unsicher werden lassen.
    Was sollte er tun?
    Bleiben, ihr nachgehen und schauen, was sie in einer Kapelle wollte? Bestimmt nicht beten, davon war er schon jetzt überzeugt.
    Vielleicht gab es dort einen Geheimgang, von dem der Mönch bisher noch nichts gewußt hatte. Wie dem auch sei, er
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